Die heutige Nacht ist mitten in der Nacht zu Ende. Um 6.15 Uhr meldet mein iPhone gehorsamst, dass es Zeit wird, aufzustehen – wir sind schließlich in Ho-Chi-Minh-City und haben dort einen fünfstündigen Ausflug gebucht, der uns die Highlights der Stadt näherbringen soll. Und der beginnt bereits um 7.30 Uhr (das ist unserer Auslaufzeit um 14.00 Uhr geschuldet) – was aber aufgrund der gestern gemachten Erfahrungen mit den hiesigen Temperaturen nicht nur Nachteile hat. Denn: 27°C werden bereits jetzt gemeldet – 33°C werden es nachher in der Spitze sein.
Ich beginne den Tag also zunächst mit einer Dusche bevor wir uns im Calypso zum Frühstück treffen. Und während Luzia und Jakob heute einen Seetag machen und Arndt eine aufkommende Erkältung im Keim ersticken will, treffen Birga, Dennis, Niklas und ich im Theater zu unserem Ausflug zusammen. „HCM 01: Ho-Chi-Minh-Stadt klassisch“ ist unser heutiges Ausflugsthema, das zunächst mal wieder mit der Jagd auf die besten Plätze im Bus beginnt. Und wie immer begegnet uns auch heute das Phänomen, das gerade die, die ansonsten eher mäßig schnell unterwegs sind, auf dem Weg zu den Bussen offensichtlich alle Leiden vergessen und über die Pier rennen, als ob die Busse sonst ohne sie abfahren würden. Unglaublich!
Wir schlendern statt dessen gemütlich in Richtung unserer Busse, finden wie immer im hinteren Bereich vier Sitze und machen uns gemütlich auf die etwa 40 Minuten dauernde Fahrt vom Land in das pulsierende Leben einer asiatischen Großstadt. Und das ist Ho-Chi-Minh-City wirklich: 9 Millionen Menschen leben hier – und 4 Millionen Mopeds. Und gefühlt sind die alle auf der Straße – und zwar alle hier.
Der Straßenverkehr ist der Wahnsinn. Unmengen von Mopeds sind hier unterwegs – wahlweise mit zwei, drei oder auch vier Personen besetzt und oftmals mit einer Beladung, die manchen Kleinlaster überfordern würde. Gefahren wird, wo Platz ist. Und ist mal kein Platz, wird trotzdem gefahren. Eine echte Herausforderung für Fußgänger – besonders für solche wie uns.
Würden wir die Straßen hier überqueren wollen wir zu Hause (links schauen, rechts schauen, nochmal links schauen und dann gehen, wenn frei ist) – wir würden immer noch da stehen. Denn: „frei“ ist die Straße hier nie. Stattdessen geht man hier einfach los. Und zwar mit gleichbleibender Geschwindigkeit ohne zwischendurch die Richtung zu ändern. Dann wird man als Fremdkörper wahrgenommen und umfahren – alles ist gut. Bleibt man jedoch zwischendurch stehen, geht es schief – dann wird man nicht umfahren sondern umgefahren. Denn damit rechnet hier halt niemand. Andere Länder, andere Sitten – und geht trotzdem irgendwie.
Auf so einem Moped dürfen übrigens maximal zwei Erwachsene sitzen – und für die besteht Helmpflicht. Das klingt ja soweit erst einmal gut – doch mangels weitergehender Bestimmungen ist alles andere dann erlaubt. Und so kommt es, dass meterhohe Zuladungen genauso zulässig sind (da werden in der Tat 50-Zoll-TVs auf dem Gepäckträger transportiert) wie der Transport von Kindern. Und so ist es kein seltenes Bild, dass eine vierköpfige Familie mit dem Moped unterwegs ist. Ganz vorn der 5-jährige (ohne Helm), dann der Papa (mit Helm), ganz hinten die Mama (auch mit Helm) und dazwischen wird noch das Baby eingeklemmt. Glaubt Ihr nicht? Dann kommt hier einfach mal vorbei …
Doch zurück zu unserem Ausflug. Wir haben inzwischen unseren ersten Fotostopp am Rathaus erreicht – nicht jedoch, ohne vorher die hiesige Niederlassung der Deutschen Bank passiert zu haben. Und schau mal einer an – die Mitreisenden finden das alle toll, dass man das Logo der Bank sogar hier sieht und fotografieren eifrig drauf los … zu Hause hat man da ja eher manchmal den Eindruck, dass man das Logo besser verhüllen sollte.
Doch wie auch immer … das Rathaus ist im Kasten, weiter geht’s. Und zwar zur Kirche Notre Dame und zum Hauptpostamt der Stadt. Das sieht ein bisschen aus wie bei uns Postämter vor etwa dreißig Jahren ausgesehen haben – nur mit dem Unterschied, dass hier mehr Leute hinter als vor dem Schalter stehen. Das ist bei uns ja nun eher anders … da muss man ja froh sein, wenn überhaupt noch einer hinter dem Schalter steht.
Der ehemalige Präsidentenpalast, heute die „Halle der Wiedervereinigung“ ist DER historische Ort in Ho-Chi-Minh-City. Hier durchbrach ein nordvietnamesischer Panzer am 30. April 1975 das gusseiserne Tor, was das Ende Südvietnams und auch des Vietnamkrieges bedeutete. Im Inneren sieht heute alles noch so aus wie damals – samt Führungsbunker im Keller. Und irgendwie erinnert mich das Gebäude an meine Klassenfahrt 1984 nach Berlin – der Palast der Republik in Ost-Berlin sah so ähnlich aus.
Und da wir hier in einem Land sind, in dem der Buddhismus eine große Rolle spielt, kommt natürlich auch noch eine Pagode ins Spiel – die älteste der Stadt: Chua Giac Iam. 1744 erbaut sind hier über einhundert goldene Buddha-Statuen zu finden.
Neu aufgenommen in den Ausflug ist der Besuch einer Lackwarenfabrik. Jetzt kennen wir das ja von anderen Ausflügen auch, dass irgendeine Manufaktur, ein Souvenirshop oder etwas ähnliches besucht wird – natürlich immer mit der Möglichkeit verbunden, einkaufen zu können. Und so ähnlich habe ich das hier auch erwartet. Aber manchmal wird man halt auch mal positiv überrascht. Ja, hier wird was hergestellt und ja, man kann das auch kaufen. Aber: hierbei handelt es sich um höchste Handwerkskunst. Im wesentlichen Bilder, aber auch Schalen und Vasen werden hier handgefertigt und lackiert. Teilweise werden Bilder mit filigransten Stücken von Enteneierschalen gefertigt – einfach nur schön. Und auch wenn ich jetzt nicht so der Asien-Kunstliebhaber bin – das eine oder andere Werk hätte ich mir auch an die Wand gehängt.
Und während wir so durch die Ausstellung schlendern, winkt in der anderen Ecke unser Reiseleiter mit seinem Schild – „wir haben doch keine Zeit ….“ Also machen wir uns auf den Weg zum Bus, um zu unserer letzten Station auf dieser Reise zu fahren – dem Ben-Thanh-Markt in Chinatown.
Und so etwas habe ich noch nicht gesehen – und ich glaube, wer das nicht erlebt hat, hat einen der wesentlichsten Eindrücke einer asiatischen Großstadt verpasst. Hier werden alle Sinne gefordert, der Geruchssinn manchmal sogar überfordert. In einer riesigen Halle befinden sich hunderte von Verkaufsständen. Die meisten etwa zwei Meter breit und zwei Meter tief. Und auf diesen vier Quadratmetern sind Unmengen von Kisten, Kartons, Säcken gestapelt – und ein bis drei Verkäuferinnen, ausgestattet mit Telefon und Bestellblock, finden auch noch Platz darin, meistens in einer Ecke im Schneidersitz. Zwischen den Ständen laufen unablässig Menschen hin und her – viele mit Säcken über der Schulter, einem Handy am Ohr, einen Sackkarren vor sich her schiebend oder hinter sicher herziehend. Manche ersetzen das Handy durch einen Teller mit Suppe, andere haben eine Flasche Wasser in der Hand. Und alle wollen gleichzeitig auf einem etwa 30 cm breiten Pfad, der zwischen den Ständen durchführt in beide Richtungen gehen. Und was auf der Straße die Hupe, ist hier die Stimme: „Hua, hua, hua, ….“ (oder so ähnlich) klingt es von allen Seiten – und wer dann nicht schnell irgendwo hin springt, hat sofort einen Sackkarren zwischen den Beinen.
Verschärft wird die Situation durch die vielen Fisch- und Gewürzhändler sowie die Garküchen, die zwischen den einzelnen Ständen stehen. Manches davon sieht richtig lecker aus, anderes gewöhnungsbedürftig und wieder anderes wie – naja … Und natürlich riecht das auch alles entsprechend – und je nachdem, was die eigene Nase in ihrem Leben schon so erlebt hat, riecht es nur unangenehm oder führt auch fast zu körperlichen Reaktionen wie Nahrungsmittelauswurf. Aber es ist halt so wie es ist – und ich würde das hier niemals missen wollen … das ist für mich das Highlight des heutigen Tages oder – wie unser Kapitän später sagen wird – wer so etwas in einer asiatischen Großstadt nicht gesehen hat, hat Asien nicht erlebt. Und ich glaube, er hat Recht.
So richtig beschreiben kann man das Treiben hier nicht wirklich … das muss man in der Tat erlebt haben. Oder wie der frühere DSF in seiner Werbung schon wusste: „Mittendrin statt nur dabei!“
Doch jetzt haben wir genug gesehen. Die 33°C Lufttemperatur sind erreicht, die 100% Luftfeuchtigkeit sicher auch. Zumindest haben wir 100% T-Shirt-Feuchtigkeit … also ab in den Bus und zurück zum Schiff, wo wir etwa 30 Minuten später rechtzeitig zu „Alle Mann an Bord“ ankommen.
Unser erster Weg führt Niklas und mich dabei in die Sauna – erst mal den Dreck abwaschen, dann im Dampfbad kurz aufkochen und dann nochmal duschen … jetzt fühle ich mich wieder als Mensch. An der Poolbar noch einen Splash (erfrischendes Getränk aus verschiedenen – sauren – Säften) und dann den üblichen Mittagsburger. Wir sind zurück in unserer Welt …
Und ab jetzt ist Urlaub. Bis zum Abendessen, zu dem wir uns um 18.30 Uhr im Marktrestaurant treffen wollen, verbleibt ja noch ein bisschen Zeit, so dass ich noch etwas in die Sonne gehe, einen Saunaaufguss mitmache und mein Buch zu Ende lese.
USA ist das heutige Thema im Marktrestaurant – im Calypso ist es Australien. Beides ist natürlich hervorragend, mehrheitlich hat aber USA gewonnen. Und so gibt es heute einen Caesar’s Salad, Chili-Poppers, Steaks, Ofenkartoffel mit Sour Creme und eine Clam Chowder (amerikanische Muschelsuppe).
Und noch etwas gibt es … eine geheimnisvolle scharfe Sauce, auf Chili und Feigen basierend. Die steht nirgendwo herum, die bekommt man beim Küchenchef (einer hatte sie gekannt und dann hat sich die Info irgendwie durchs Restaurant verbreitet). Leider kann ich zum Test nur noch die Schüssel auskratzen – aber die hat schon was. Wir sind dann gleich in Verhandlungen mit dem Küchenchef eingestiegen – morgen gibt’s die nochmal (und dann auch für uns) … wobei sie dann noch ein bisschen schärfer sein wird („Ich will Euch weinen sehen!“). Wir sind gespannt.
Um 20.15 Uhr findet heute letztmals das „Mutter-Kind-Tanzen“ statt, so dass wir vorher noch einen Espresso (oder wahlweise etwas anderes) an der AIDA-Bar nehmen und sich zumindest Arndt und ich dann auf unsere Kabinen zurückziehen, um unsere noch nicht ganz auskurierte bzw. aufkommende „Klimaanlagen-Erkältung“ in den Griff zu bekommen. Schließlich haben wir ja noch zwei Tage Urlaub vor uns …