Heute haben wir einen weiteren Tag auf See – schließlich müssen wir die von Norden kommende Eisschicht umfahren, die sich uns in den Weg schiebt. Wir sind daher vom Grise Fjord in Kanada zunächst ein Stück südwärts gefahren (was allerdings nicht ausgereicht hat, um wieder Internetzugriff zu bekommen, wie einige meiner Mitreisenden schnell festgestellt haben) bevor wir nun wieder in nördlicher Richtung unterwegs sind.
Im Gegensatz zu den hochsommerlichen Tagen mit blauem Himmel zeigt sich uns die Welt um uns herum heute eher grau in grau, Nebel erschwert die Sicht und der Wind fängt an, das Frühstück auf der Terrasse langsam aber sicher unangenehm werden zu lassen.
Wenn der Nebel aufreißt, kann man ab und an ein bisschen Treibeis sehen, in der Ferne ist die grönländische Küste sichtbar – uns ansonsten ist außer Wasser und bewölktem Himmel nicht viel zu sehen.
Von daher bietet es sich an, die heute angebotenen Vorträge unserer Lektoren zu den Permafrostgebieten und den Robben zu besuchen oder zumindest im Bord-TV zu verfolgen. Oder halt ein bisschen zu Lesen, Sport zu machen, in der Sauna oder im Pool zu entspannen. Der Tag heute erinnert mich dabei ein bisschen an meine Flusskreuzfahrt – auch da habe ich ja gern mal von „Entschleunigung“ gesprochen. Und das ist jetzt hier irgendwie ähnlich …
Bis … ja, bis sich wieder zeigt, was „Expeditionskreuzfahrt“ bedeutet. Kurz nach dem Mittagessen ist es dann nämlich überraschenderweise so weit: wir erreichen die Einfahrt in den Smith Sound zwischen Kanada und Grönland. Und – wir sehen Treibeis. Und zwar einiges davon …
Sofort versammeln sich alle Passagiere auf den Außendecks und dem „Backdeck“, das ist das eigentlich der Crew als Arbeitsbereich dienende „Vorschiff“, das jetzt für uns geöffnet wird.
Und das, was wir jetzt zu sehen bekommen, ist das, weshalb wir hier sind: eisbedecktes Meerwasser um uns herum, ein leichtes Krachen, wenn die Bremen eine Eisscholle wegschiebt oder zerteilt, ein Panoramablick vom Feinsten. Selbst das Wetter hat sich im Laufe des Tages zu unseren Gunsten gewendet: sowohl der Nebel als auch die grauen Wolken sind einem blauen Himmel mit Sonnenschein gewichen.
Ich muss mir nachher mal die Fotos anschauen – wenn alles gut gegangen ist, sollten die Fotos ähnlich aussehen wie die Katalogbilder zu dieser Reise. Und so wird es jetzt erstmal den ganzen Abend und die ganze Nacht weitergehen, bis wir morgen früh – wenn nichts dazwischen kommt – Pim Island erreichen.
Aber auch die Tierwelt kommt nicht zu kurz: in der Ferne sehen wir eine Bartrobbe auf einer der Eisschollen liegen – wir nähern uns dem Tier vorsichtig an und haben so die Chance, eines der Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen und zu fotografieren – bis es ihr wohl zu dumm wird und sie ins Wasser entschwindet.
Die für heute Nachmittag und heute Abend geplanten Vorträge sind natürlich inzwischen gecancelt worden – jetzt gilt es erst einmal, die Fahrt ins Eis zu erleben. Zwar müssen wir trotzdem etwas essen – aber fast jeder hat die Kamera dabei, um bei Ertönen der Durchsage von der Brücke „Eisbär voraus!“ sofort zur Stelle zu sein.
Das wäre dann übrigens auch wieder eine der Situationen, bei denen man das Durchschnittsalter dieser Reise nicht merkt: das liegt zwar bei 65 Jahren – aber in solchen Situationen wartet hier niemand auf den Fahrstuhl … 😉
Aber zunächst einmal passiert nichts, wir können in Ruhe zu Abend essen bevor wir uns dann um 21.30 Uhr noch einmal in der Panorama Lounge versammeln, um den Vortrag unseres Expeditionsleiters Arne zur Greely-Expedition zu hören, der uns auf das für morgen geplante Ziel, Pim Islands, einstimmt.
Danach genieße ich noch ein bisschen die Ruhe der Eislandschaft um uns herum bevor ich dann irgendwann doch einmal den Weg ins Bett finde. Schließlich ist morgen ja ein neuer Tag – und da wollen wir natürlich noch mehr Eis sehen als heute …
Weiterlesen: 13. August 2016: Pim Island, Kanada