6.30 Uhr – die Nacht ist zu Ende. OK, wer Tiere gucken will, muss vermutlich tatsächlich Opfer bringen. Und wenn es dann doch mal eine richtige Safari wird, wird’s wahrscheinlich noch früher. Als nehmen wir es sportlich und schwingen uns aus dem Bett, so das wir pünktlich zur Öffnung des Yacht Club um 7.00 Uhr auf Deck 9 sind.
Hier ist um diese Zeit in der Tat noch nichts los, so dass das Verhältnis Passagiere zu Servicemitarbeitern deutlich zu deren Gunsten ausfällt. Was jedoch für uns von Vorteil ist – umso schneller kommen wir heute an die gewünschten Speisen.
Und da wir bereits um 7.30 Uhr auf der Pier von unserem Guide erwartet werden, ist das auch gut so … Wir haben heute nämlich einen sogenannten „Concierge-Ausflug“ gebucht, d.h. einen individuellen Landausflug mit einem eigenen Fahrzeug und Reiseleiter, der uns nach unseren Wünschen zur Verfügung steht. Allerdings haben wir unsere Wünsche bereits im Vorfeld dem Vorschlag von Hapag Lloyd angepasst – und so ist unser heutiges Thema: „Die Wüste lebt – Faszinierende Tierwelt der Namib“.
Nachdem wir gestern mit der Moonlandscape ja eher den felsigen und steinigen Teil der Namib gesehen haben, ist unser heutiges Ziel der Teil der Namib, der im westlichen aus Sand besteht. Und so führt uns unsere Fahrt mit unserem englischsprachigen Guide Ernst zunächst wieder nach Swakopmund, bevor es von dort in den „großen Sandkasten“ geht.
Unterwegs haben wir daher erneut die Gelegenheit, einen Eindruck der ehemaligen deutschen Kolonialstadt zu erhalten – und dabei fällt mir auf, dass viele der dort (auch neu) gebauten Häuser Schrägen aufweisen: Balkone sind nicht unbedingt kerzengrade und Fensterstürze weisen gern auch mal leichte Gefälle auf. Das ist nicht wirklich schlimm – aber bei mehreren gleichartigen Häusern nebeneinander merkt man es halt einfach.
Interessant sind auch die vereinzelt stehenden Palmen – und da vor allem die, die deutlich höher sind als die anderen. Und kerzengrade. Denn erst bei genauerem Hinsehen wird man feststellen, dass die Palmen eigentlich gar keine sind – sondern eigentlich Handymasten, an deren oberem Ende man künstliche Palmenblätter angebracht hat, um die Antennen zu verdecken – und was soll ich sagen: eigentlich eine geniale Idee, die auch noch gut aussieht. Sollte man bei uns vielleicht auch mal einführen – wobei ich mir jedoch vorstellen könnte, dass vereinzelt auftretende Palmen bei uns auch gewöhnungsbedürftig wären.
Kurz vor Swakopmund werden wir dann durch eine Verkehrskontrolle ausgebremst – die finden hier vor den großen Feiertagen wohl regelmäßig statt, da zu dieser Zeit viele Leute aus dem Landesinneren in die Küstenstädte fahren. Und man von deren Fahrern nicht immer überzeugt ist – wie uns Ernst erläutert, kommt es wohl nicht selten vor, dass die Leute nicht nur keinen Führerschein haben sondern teilweise auch noch einige Jahre fehlen, bevor sie legal einen erwerben könnten. Da es dadurch und durch Fahrzeuge, die ihren besten Jahre schon lange hinter sich haben, gerade in den Ferienzeiten zu vielen Unfällen kommt, will man dem durch verstärkte Kontrollen entgegen wirken. Interessant dabei ist aber, dass an diesen Kontrollstellen viele Unternehmen die Gelegenheit nutzen, ihre Werbebanner aufzustellen – Zeit genug zum Lesen hat man ja während der Wartezeit. Frei nach dem Motto: „Diese Kontrolle wird Ihnen präsentiert von …“
Mit unserem Guide ist man als Fahrer jedoch offensichtlich zufrieden, so dass uns unser weiterer Weg vorbei an Quadverleihern und Anbietern von Kamelausritten zu den Tieren in den feinen Wüstensand führt. Die Kamele gehören hier übrigens nicht hin – die sind nur wegen der Touristen hier, da die eine „richtige“ Wüste halt mit Kamelen verbinden. Und von daher hat man einfach welche aus dem Orient importiert …
Bei einem kurzen technischen Stopp zu Beginn der Tour lässt Ernst dann noch schnell die Luft aus den Reifen (ansonsten würde sich der Jeep in dem tiefen Sand unweigerlich festfahren) – und dann geht es auch schon los.
Und während es bei einer „normalen“ Safari ja eher um die „Big Five“ (Löwe, Nashorn, Elefant, Leopard und Büffel) geht, sind heute die sog. „Little Five“ unser Ziel. Nämlich genau die Tiere, die im, auf und unter dem Wüstensand leben. Und die man vor allem auch nicht so einfach sieht, wie einen Elefanten. OK, auch den muss man in der Steppe erst einmal finden – wenn man ihn denn aber gefunden hat, fällt er jedem Betrachter sofort ins Auge.
Das ist hier und heute ein bisschen anders. Wobei das Finden der Tiere die erste Hürde darstellt – für uns ist das hier einfach eine riesige große Sandkiste. Guckt man nach links: Sand, guckt man nach rechts: Sand, guckt man noch vorne: Sand – und dreht man sich um: Sand. Und dennoch bleibt unser Guide auf einmal stehen, steigt aus, kniet sich hin und fängt an zu graben. Und winkt uns kurz danach zu – wir sollen zu ihm kommen.
Auf seiner Hand sitzt ein kleiner Schwimmfußgecko, der uns mit seinen großen Augen anguckt. Er kann zwar nichts sehen, weil es tagsüber zu hell für ihn ist (dafür ist er nachts wohl unschlagbar) – das ist aber auch der Grund, warum er nicht wegläuft. Aber viel spannender ist die Frage, wie Ernst das Tier im Vorbeifahren entdeckt hat: er hat im Sand wohl so etwas wie eine Spur gesehen (die wir jetzt nicht wirklich wahrnehmen können) und dann ein kleines Loch im Sand (zugegeben, wenn man das weiß, sieht man es auch). Und das hat ihm als Hinweis gelangt, um dort dann selbst zu graben. Das fast durchsichtige Tier dient noch kurz als Fotomotiv bevor es von unserem Guide wieder in den Sand gesetzt wird – und ruckzuck mit seinen Grabschaufeln (seine Füße sehen ein bisschen aus wie die Schwimmflossen von Enten) sich einen Weg in den feinen Sand buddelt und in dem entstehenden Gang verschwindet.
Nächste Station auf unserem Trip ist ein Abschnitt in der Wüste, der ausnahmsweise mal nicht nur aus Sand besteht – vielmehr liegen hier noch Skelettteile im Sand herum. „My last group“, lässt uns Ernst wissen … Ups, war nicht eigentlich angedacht, dass die Tour wieder am Schiff endet? Doch, so war der Plan … und deshalb ist uns die Erklärung, dass es sich um geschächtete Pferde handelt, die vor vielen Jahren aufgrund einer unklaren Infektionskrankheit ihr Leben lassen mussten und dann unter dem Wüstensand vergraben wurden. Und zwischenzeitlich in Teilen halt wieder freigelegt wurden.
Wir setzen unsere Tour durch die Wüste fort – und das Spiel wiederholt sich. Ernst entfernt sich vom Jeep, läuft auf einen kleinen Hügel, buddelt im Sand und winkt erneut. Wobei er das Ergebnis seiner Grabungen dieses Mal nicht in der Hand hält – ein untrügliche Zeichen, das auch wir etwas Abstand von dem rund 4 cm großen weißen Tier halten, das er ins freie befördert hat: eine „White Lady“.
Die White Lady ist eine Spinne, die nicht nur giftig ist, sondern auch von einer gewissen Brutalität gekennzeichnet ist. Wie wir erfahren, geht die Spinnendame mit ihren männlichen Artgenossen offensichtlich nicht zimperlich um. Strebt ein solches Exemplar nämlich ein Schäferstündchen an, muss er sich das mit einer Art „Begattungstanz“ erarbeiten. Und nur, wenn dieser der Dame gefällt, hat er Chance auf Sex. Ansonsten war der missglückte Tanz das letzte, war er in seinem Leben gemacht hat. Dummerweise ist sein Leben aber auch beendet, wenn es zum Äußersten kam – denn auch in diesem Fall beendet die White Lady sein Leben. Von daher ist das erste Mal dann regelmäßig auch das letzte Mal gewesen …
Warum die Natur das so angelegt hat, weiß man nicht so genau … aber irgendeinen Grund wird das schon haben. Gut, dass sie das beim Menschen nicht genau so geplant hat …
Die Spinne verschwindet derweil wieder im Sand (oder besser gesagt, unser Guide verteilt eine Menge Sand auf ihr), so dass wir unseren Weg fortsetzen können. Bis dieser erneut unterbrochen wird – und zwar von Fußspuren, die sogar wir erkennen – allerdings enden diese im Nichts (oder besser gesagt, direkt an einem großen vertrockneten Stück Holz). Wobei das nur wir so wahrnehmen (und damit auf einen Trick der Natur hereinfallen). Denn: das große Stück Holz ist in Wirklichkeit ein kleines Stück Holz – der Rest sieht nur so aus wie Holz. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Chamäleon, das gut getarnt hier in der Sonne steht.
Zugegeben, schöne Tiere sehen anders aus – aber es ist schon faszinierend, wie die Natur es eingerichtet hat, dass dieses Tier hier mehr oder weniger offen in der Wüste steht, aber doch nicht wirklich wahrgenommen wird.
Last but not least fehlt uns nur noch eine Schlange. Und das wird eine echte Herausforderung. Unser Guide fährt, hält an, steigt aus, gräbt (dieses Mal mit einem Stock), steigt wieder ein, fährt weiter … gefühlt haben wir die Wüste inzwischen komplett abgefahren (wobei das aber tatsächliche mehrere Tage dauern würde) – nur eine Schlange haben wir noch nicht zu Gesicht bekommen.
Dafür kennen wir jetzt aber das fahrerische Können von Ernst. Es geht die Dünen rauf und wieder runter – mal gerade, mal in Schräglage. Nicht so extrem wie seinerzeit bei der Sonnenaufgangstour in Abu Dhabi, hat aber doch ansatzweise etwas von Achterbahn.
Und dann ist es soweit – unser Guide winkt uns zu. Und hat irgendwas Kleines an seinem Stock. In der Tat eine Schlange. Naja, ein „Schlängelchen“. Etwa 15 cm lang ist das Tier, von dem wir aber immerhin erfahren, dass es hochgiftig ist. Und da es farblich in etwa so aussieht wie der Wüstensand, kann man sich durchaus vorstellen, dass man da auch mal unfreiwillig in Kontakt kommen könnte.
So wie das Tier, dass sich aktuell in der Schlange befindet. Man kann zwar nicht sehen, was genau sich da in dem Bauch der Schlange befindet, es ist aber klar erkennbar, dass es im Verhältnis zur Schlange relativ groß ist und diese noch ein Weilchen damit beschäftigt sein dürfte, das Mahl zu verdauen. Und so wollen wir sie dabei nicht stören und legen sie wieder im Sand ab.
Das ist in der Tat schon faszinierend gewesen – klar, Löwen und Elefanten sind spektakulärer. Aber die sehen wir ja mit etwas Glück vielleicht noch an einem der kommenden Ausflüge in Südafrika. Die Wüste Namib wiederum hat mich durchaus fasziniert. Hunderte Kilometer Ausdehnung, Sand, Dünen, Mondlandschaft – hier kann man sicherlich tagelang unterwegs sein und sieht doch immer wieder etwas Neues.
Für uns ist das Abenteuer jetzt aber erst einmal beendet; wir fahren zurück nach Swakopmund, Ernst ergänzt an einer Tankstelle die fehlende Luft in den Reifen und dann geht es zurück zur Europa 2.
Und während Arndt sich auf seinen nächsten Ausflug, einen zweistündigen Rundflug über die Wüste mit einer Cesna, vorbereitet, befassen wir uns erst einmal mit einem kleinen Snack im Yacht Club zum Mittagessen, bevor ich ich mich mit meinem Kindle in die Sonne begebe und ein bisschen was lese.
Und so bin ich heute Nachmittag erst einmal im Urlaubsmodus bis es um 18.00 Uhr auch für uns im Programm weitergeht: auf Einladung von Hapag Lloyd geht es erneut in die Wüste. Und zwar zu einem „exklusiven Dinner in den Dünen der Namib“.
Nun, aufgrund meiner Erlebnisse mit der Europa 2 im vergangenen Jahr in der Karibik sind die Erwartungen an diese Veranstaltung relativ hoch. Mal schauen, ob das ebenfalls ein solches Highlight wird wie das BBQ vergangenes Jahr auf der Karibikinsel Jost van Dyke. Laut Beschreibung steht uns nun folgendes bevor: „Hapag-Lloyd Kreuzfahrten lädt Sie zu einem exklusiven Dinner in den Dünen der Namib ein. Ein Transfer bringt Sie in die berühmte „Moonlandscape“ mitten in der Wüste, wo Sie ein afrikanisches Buffet-Dinner unter den Sternen genießen. Traditionelle Musik und Gesang sorgen für die passende Untermalung“.
Etwa 350 Passagiere haben die Einladung angenommen und stehen jetzt auf der Pier vor mehreren großen Reisebussen sowie vielen kleinen Jeeps, die uns in die Wüste bringen sollen. Und was sehe ich in der Ferne: Bernhard – unseren gestrigen Reiseleiter.
Unser Plan steht: wir fahren mit Bernhard. Und auch er hat uns inzwischen entdeckt und winkt uns zu. Wir entern seinem Jeep und schaffen somit erst einmal Fakten. Und irgendwie scheint das auch so OK gewesen zu sein – zumindest kommt niemand mehr dazu und es will uns auch niemand mehr umsetzen. Und so genießen wir die gut einstündige Fahrt in die Mondlandschaft, die wir gestern ja bereits mit ihm entdecken durften, und stellen fest, dass allein aufgrund der geänderten Lichtverhältnisse die Landschaft im Gegensatz zu gestern irgendwie ganz anders aussieht.
Wir fahren über steinige und felsige Wege immer tiefer in die Wüstenlandschaft, immer öfter stellt sich die Frage, wie man hier mit einem ausgewachsenen Reisebus überhaupt noch weiterkommt – und dennoch erreichen wir irgendwann unser Ziel: ein mit zahllosen Laternen gekennzeichneten und mit einem Schilfzaun umzäuntes Areal, in dem große Runde Tische zum gemütlichen Zusammensitzen einladen.
Kamele stehen bereit, um Kinder im Kreis zu transportieren, afrikanische Musiker und Tänzer führen Folkloristisches auf, ein Gläschen Willkommenschampagner steht ebenso bereit wie mehrere Toilettenanhänger – und ein langes Buffet am Rand unseres „Camps“ deutet an, dass der Abend auch kulinarisch angenehm wird.
Von daher steht das hier in der Logistik der letztjährigen Veranstaltung am karibischen Stand in nichts nach – wer Tische, Stühle, Strom, Wasser, Toiletten, Essen und Getränke für rund 350 Personen in einen entlegenen Winkel der Wüste bringt, hat logistisch wohl alles richtig gemacht.
Ist das dekadent? Wahrscheinlich. Ist es schön? Ganz sicher. 🙂
Und so verbringen wir einen tollen Abend mit leckerem afrikanischem Essen (ich erwähne stellvertretend einfach mal Springbock, Ochsenschwanz und Lamm in einer speziellen Rezeptur – oder auch die pausenlos frisch gegrillten Garnelen) bei passender musikalischer Unterhaltung und netten Gesprächen in der Wüste. Die gerade untergehende Sonne, der „Fast-Vollmond“ und die damit verbundenen unterschiedlichen Farbenspiele geben dem ganzen noch mal einen ganz besonderen Reiz.
Bis gegen 22.00 Uhr bleiben wir hier bevor es dann mit der ganzen Armada an Fahrzeugen wieder zurück zum Schiff geht. Bernhard haben wir leider nicht mehr getroffen, da wir aber vorhin noch die Adressen ausgetauscht haben, wir sich da sicherlich noch mal ein Kontakt ergeben. Und ganz sicher wirst Du, Bernhard, ja auch diese Stelle in diesem Buch hier lesen – fühl’ Dich also einfach noch mal ganz lieb gegrüßt!
Wir absolvieren unseren Heimweg daher mit einem der großen 50-Sitzer, so dass wir rund 1 ½ Stunden (oder ein kleines Nickerchen) später wieder die Europa 2 erreichen. Für mich endet der Abend jetzt hier – ich schaue noch schnell die Tagesschau (diese wird im Schiffsnetz als Stream für eine Woche vorgehalten und kann bei Bedarf über das Kabinen-TV abgerufen werden) und kann auch noch Dennis begrüßen, der etwas früher aus der Wüste zurückgekommen ist und die Gelegenheit zum geselligen Zusammensein mit seinen Freunden an Bord genutzt hat, bevor auch er jetzt ins Reich der Träume versinkt.
Ach ja, kurzer technischer Hinweis an Dennis: die vom Bett am weitesten entfernte Tür ist die Kabineneingangstür. Die zum WC ist die links daneben … 🙂