Und so ist es auch dieses Mal … zumindest haben wir nichts von Seegang gemerkt (kann aber natürlich auch sein, dass wir den verschlafen haben). Auf dem Boden liegt jedenfalls nichts – zumindest nichts, was da nicht gestern Abend auch schon lag.
Und so stehe ich am letzten Schiffstag dieser Reise mal auf – wobei, eigentlich ist es ja gar kein richtiger Schiffstag. Denn heute Abend um 19.00 Uhr legen wir ja schon in Arrecife auf Lanzarote an und liegen dort overnight bis morgen Abend. Dennoch habe ich heute ein volles Programm – von wegen Urlaub. 😉
Es ist kurz nach acht, als ich mich auf den Weg in den Anckelmannsplatz für ein kurzes Frühstück mache bevor ich mich dann ganz gemütlich und fernab jedweder Hektik in der Café Lounge bei einem leckeren Cappuccino mit meiner Zeitung befasse.
Parallel hierzu erinnert mich mein Handy daran, dass es jetzt Zeit wäre, für meinen Air Europa Rückflug einzuchecken … erstaunlich – das habe ich dem nämlich gar nicht gesagt. Muss dann wohl Air Europa gewesen sein, die diese Erinnerung ausgelöst hat. Find’ ich gut – und so habe ich drei Minuten später auch schon eingecheckt und meine Bordkarte liegt elektronisch in der Wallet (das ist der neue Name für „Passbook“). Einfacher geht’s ja wohl nicht mehr …
Parallel kommt jetzt das mit dem vollen Terminkalender zum Tragen: der erste Termin steht vor der Tür – und den hat der Kapitän höchstpersönlich da eingetragen: die Kapitänsfragestunde im Theater steht an.
Ich mache mich also auf den Weg – und stelle fest, dass ich nicht der einzige bin. Und so ist das Theater auch recht gut gefüllt, als es pünktlich losgeht. 2 Todd Burgman, der Chefingenieur und der Umweltoffizier stehen auf der Bühne und beantworten alle unsere Fragen.
Zuvor jedoch gibt es eine etwa halbstündige Einführung in die Technik des Schiffes, den Maschinenraum und die Brücke. Und ich stelle fest, dass das mindestens genau so informativ und unterhaltsam ist wie bei Kjell Holm, der die Mein Schiff 4 seit der Indienststellung geführt hat und bei dem ich im Sommer schon einmal einen ähnlichen Vortrag hören durfte.
Und so erfahren wir, dass das Schiff – trotz „motion in the ocean“ (Todd Burgman) – sehr stabil und ruhig liegt. Er, der Kapitän, habe bislang noch kein Schiff gesehen, dass so ruhig im Wasser liegt wie die Mein Schiff 4. Und das kann ich nach fast 50 Kreuzfahrten auch unterschreiben, die Mein Schiff 4 setzt da durchaus Maßstäbe.
Zunächst erhalten wir im übrigen die gleichen Infos wie beim Vielfahrertreffen bezüglich der geplanten Erweiterung der Mein Schiff Flotte: „Da waren die Kollegen in Hamburg bei der Namensgebung richtig kreativ: die neuen Schiffe werden 5, 6, 7 und 8 heißen“.
Darüber hinaus gibt es dann aber sehr viele Infos und Fotos zur Mein Schiff 4. So erfahren wir beispielsweise, dass das Schiff nach dem „Safe return to port“-Prinzip gebaut worden sei – was nicht mehr oder weniger bedeutet, als dass alle wichtigen Systeme doppelt und unabhängig von einander ausgelegt sind. So sind die beiden Maschinenräume vollumfänglich von einander getrennt, es gibt zwei unabhängige Maschinenkontrollräume und selbst für die Brücke gibt es mit einer „Notbrücke“ einen vollwertigen Ersatz: „Leider kann ich Ihnen nicht sagen, wo die ist – das ist so geheim, das weiß noch nicht einmal ich.“
Durch dieses Bauprinzip wäre es möglich, dass das Schiff selbst bei Ausfall eines Maschinenraums oder der Brücke noch mindestens 1.000 Seemeilen zurücklegen könnte – und damit in der Regel immer aus eigener Kraft einen Hafen erreichen könnte. Ach ja, bei vollen Schweröltanks (rund 2.700 t) liegt die Reichweite bei Volllast und voller Hotelnutzung übrigens bei rund 23 Tagen …
Bei den anschließenden Fragen dominierten natürlich die „Standards“: „Reichen die Rettungsboote denn auch für die Besatzung?“ – Ja, sie reichen (oder konkret: für maximal 3.820 Personen (Passagiere und Crew) stehen 4.888 Plätze in den Rettungsmitteln bereit. Oder: „Gibt es Arrestzellen an Bord?“. Nun, die Antwort war denn eher eine Gegenfrage: „Was um Himmels Willen haben Sie denn vor?“
Interessant sind auch wieder die Ausführungen zum Bremsweg (dazu hatte ich ja bei der Begegnung mit dem Fischerboot schon etwas geschrieben). Der würde rechnerisch 1.600 m betragen – in der hier genutzten Variante „scharfe Kurve“ hat das Schiff jedoch bereits nach 550 m um 90° gedreht. Und das bei nur 6° Neigung – was nicht wirklich viel ist: „Vielleicht geht ein bisschen Suppe aus dem Teller …“
Einen letzten Block bildet dann der Umweltschutz. Zum einen erfahren wir viel über die Abgasreinigung – trotz Schweröl wäre die Abgasreinigung so effizient, dass das Schiff in allen Häfen in Amerika und Europa anlegen dürfte – sogar in denen, die normalerweise die Nutzung von Dieselkraftstoff vorschreiben. Und auch wenn der genaue Stickoxidausstoß nicht genannt werden konnte, gab es einen Hinweis durch den Umweltoffizier dazu: „In jedem Fall besser als bei VW“.
Keine Frage, die Kapitänsfragestunden sind eigentlich bei allen Kreuzfahrten ein Highlight – aufgrund des hohen Informationsgehalts im Initialvortrag auf der Mein Schiff jedoch noch einmal empfehlenswerter.
Und während der Kapitän jetzt noch für individuelle Fotos zur Verfügung steht, mache ich mich schon mal auf den Weg in die Kabine, um mich in meinen Bademantel zu werfen – in 15 Minuten wartet man nämlich schon im Spa-Bereich auf mich.
Zu den Vorteilen einer Spa-Balkonkabine gehört ja nicht nur der geniale Sauna-„Nebeneingang“ sondern auch ein „Wellnesstag“. OK, das ist mit 90 Minuten zwar ein kurzer Tag – aber die sind dafür gut investiert: Kopfmassage, Gesichtsanwendung, Schulter-, Nacken- und Rückenmassage sowie Fußmassage inkl. Fußbad. Sehr entspannend …
Aber zurück zum Terminplan: der sieht für 14.30 Uhr schon den nächsten Termin vor – von daher reicht die Zeit jetzt gerade für einen Sprung unter die Dusche und ein kurzes Mittagessen. Und einen Blick auf eines der Infoterminals an den Wänden – während meiner Massage habe ich nämlich nicht mitbekommen, dass es Neuigkeiten bezüglich unserer Ankunft auf Lanzarote gibt: „Aufgrund der Wetterlage werden wir heute bereits gegen 16.00 Uhr in Arrecife anlegen.“
OK, ist ja nicht schlimm. Oder vielleicht sogar gut – wenn es nicht regnet, können wir ja ggf. die Chance nutzen, und noch zwei, drei Stunden an Land verbringen, bevor wir dann zum Abendessen gehen. Naja, schau’n mer mal.
Ich gehe jetzt erstmal in das Tag & Nacht Bistro und freue mich dort auf einen weiteren Burger, wobei ich heute mal den „Scharfen“ mit Jalapeños und so auswähle – und auch der ist vollumfänglich empfehlenswert. Jetzt fehlt mir noch der „Edle“ – der ist dann morgen an der Reihe …
Aber weiter im Programm – jetzt führt mich mein Weg ins Klanghaus. Und zwar zu einem Vortrag unseres Lektors Klaus Kiesewetter, der über „Eisbären – die lustigen Gesellen der Arktis“ berichtet. Und wenn sich etwas lohnt, dann dieser Vortrag. Kurzweilig und mit vielen Bildern berichtet er über das Leben (und die Sorgen) der Eisbären in der Arktis. Und das ist natürlich insbesondere deshalb für mich spannend, da wir im kommenden Sommer eine Expeditionskreuzfahrt nach Westgrönland und die kanadische Arktis geplant haben – und zwar so weit nach Norden, wie es das Packeis der MS Bremen erlaubt. Auch wenn ich mit dieser Reise ein bisschen in Terminkollisionen komme und mein übliches Sommerferienprogramm im kommenden Jahr dafür streichen muss – jetzt freue ich mich noch mehr auf diese Reise (Anmerkung des Autors: Und Ihr könnt Euch auch freuen – es wird auch darüber natürlich einen Reisebericht geben).
Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass wir in einer halben Stunde in Arrecife sein wollten. Und ein weiterer in die Marinetraffic-App, dass wir mit über 20 Knoten hierher gefahren sind. Und Arrecife auch sehen. Genau wie den Lotsen – aber beim Sichtkontakt bleibt es auch erst einmal: die See lässt es aktuell nicht zu, dass er zu uns an Bord kommt.
Und ich weiß auch gar nicht, ob er es überhaupt noch geschafft hat. Denn kurz vor 16.00 Uhr erfahren wir, dass eine Einfahrt in den Hafen aufgrund des starken Windes weder aktuell möglich ist noch im Laufe des Abendes erfolgen kann – aus Sicherheitsgründen müsse man daher zunächst hier vor Arrecife die Wetterentwicklung abwarten und könne dann morgen früh erneut entscheiden, ob und wann eine Anlandung möglich ist.
Auch gut – ich hatte hier ja eh nix vor. Von daher können wir auch gern hier warten. Und diejenigen, die jetzt schon auf dem ganzen Schiff Passagiere sehen, die sich ihr Essen nochmals durch den Kopf gehen lassen oder überall diese netten weißen Tüten erwarten, muss ich enttäuschen: man kann zwar durch die Fenster eine ziemlich aufgewühlte See sehen – auf dem Schiff ist es aber relativ ruhig. Ich würde mal sagen, man kann bemerken, dass wir auf einem Schiff sind – aber das ist es dann auch schon. Mit Seegang hat das alles nichts zu tun … irgendwie stimmt das also schon mit dem stabilen Schiff – denn immerhin haben wir ja über 10.000 m2 Segelfläche …
Von daher vergessen wir das mit dem Landgang wieder – ich setze also meinen Schiffstag fort. Und zwar mit einem Saunaaufguss und dann einem längeren Aufenthalt in einem der Whirlpools.
Die sind heute natürlich gut besucht – und so sitze ich auch nicht lange allein in dem Pool. Von hinten höre ich sie schon anrücken – eine Horde Jugendliche: „Da ist aber noch einer drin. – Nicht mehr lange, wenn wir erst mal drin sind.“ Na, schau’n mer mal …
Es ist jetzt nun ja nicht so, dass ich nicht ab und zu mit Jugendlichen zu tun hätte. Und von daher eine ungefähre Vorstellung davon habe, wie das jetzt in dem Whirlpool so ablaufen wird. Zuerst wird man den mit schnellem Schritt betreten, damit es schon mal etwas spritzt. Dann wird man Mühe haben, sich auf den Sitzen zu sortieren – so dass schon mal ein gewisses Maß an Unruhe aufkommt. Und dann wird man sich gegenseitig nass spritzen. Und dabei „versehentlich“ natürlich auch Unbeteiligte treffen.
Und genau so kommt es. Unerwartet ist für die Kids offensichtlich nur meine Reaktion. Anstelle (a) mich furchtbar über die heutige Jugend aufzuregen oder (b) mit wütendem Schritt den Pool zu verlassen, entscheide ich mich für (c): ich spritze ebenfalls mit Wasser – und zwar zielgenau auf den, der mich „zufällig“ erwischt hatte: „Darf ich mitmachen?“. Nach einem kurzen Moment absoluter Ruhe und anschließendem herzhaftem Lachen auf allen Seiten sind wir dann bestens ausgekommen … Na also, geht doch …
Bevor wir uns gegen 20.00 Uhr zum letzten Abendessen für einen Coupon aus dem Gourmet Paket treffen, springe ich noch mal kurz unter die Dusche – irgendwie riecht man die Chlorung des Pools doch relativ extrem. Und so will ich dann doch nicht im Richard’s auftauchen.
Denn dort ist heute ein 6-Gang-Menü angesagt. Normalerweise würde das 49 € kosten – oder (in unserem Fall) den dritten Gutschein aus dem 75-€-Paket. Und der reicht auch, als Arndt und ich aus dem 6-Gang-Menü ein 7-Gang-Menü machen, in dem wir eine weitere Vorspeise aus dem vegetarischen Menü (Ziegenkäse) ergänzen.
Während des Essens checke ich übrigens gerade noch mal bei Marinetraffic, was unsere Kreisfahrt vor Arrecife macht. Und bin ein bisschen irritiert – wenn die Angaben hier stimmen, sind wir inzwischen kurz vor Fuerteventura. Warum auch immer … aber vielleicht ist das ja schon der Plan B für morgen?
Wir nehmen das Ganze also mal zur Kenntnis und harren der Dinge, die da kommen. Spätestens morgen früh wird es ja neue Infos dazu geben, so dass wir uns jetzt erst einmal mit den Gängen 4, 5 und 6 befassen können.
Wir kommen bis zum Rinderfilet – dann unterbricht unser Kapitän die Speisenfolge. Nach einer Entschuldigung, dass er sich so spät noch einmal melde – und dies auch über die Kabinenlautsprecher – erklärt er die neue Situation. In der Tat habe man versucht, auf Fuerteventure anzulegen – aber auch das sei aufgrund der hohen Windgeschwindigkeit gescheitert. Das Anlagemanöver wäre notwendig geworden, da es aktuell einen akuten medizinischen Notfall an Bord gäbe, der eine umgehende Ausschiffung erforderlich machen würde.
Und da ein Anlegen weder auf Lanzarote noch auf Fuerteventura möglich waren, die Übergabe an ein Seenotrettgungsboot oder an einen Rettungshubschrauber aufgrund der aktuellen Wetterbedingungen nicht möglich sind, gibt es aktuell nur die Möglichkeit, mit voller Kraft nach Gran Canaria zu fahren, um den Patienten dort an ein Krankenhaus zu übergeben.
Von daher werden wir voraussichtlich am frühen Morgen (wenn mich meine überschlägigen Rechnungen mittels Marinetraffic und Google Maps nicht täuschen, sollten wir gegen 4.00 Uhr dort sein) Las Palmas erreichen und den letzten Tag unserer Reise dort – anstelle auf Lanzarote – zu verbringen.
Natürlich ist das keine Frage: das Wohlergehen eines jeden Einzelnen geht hier allem vor – und von daher wird die Durchsage des Kapitäns auch mit Applaus aufgenommen. Ein schöner Zug … denn irgendwie hatte ja jeder andere Pläne für morgen.
Für diejenigen, die wir wir TUI-Ausflüge gebucht hatten, ist das ja recht schnell erledigt. Die Ausflüge werden automatisch storniert und wieder gutgeschrieben. Schwieriger wird das wohl eher für diejenigen, die im Vorfeld individuell geplant und Mietwagen reserviert hatten.
Aber auch für das Shore Excursion Team wird das sicherlich eine kurze Nacht – denn irgendwie wird man ja sicher für morgen ein (Not)ausflugsprogramm anbieten wollen – und das jetzt (wir haben ja fast 23.00 Uhr) zu organisieren (und mit den Agenturen an Land abzustimmen) wird sicherlich nicht einfach werden.
Aber vermutlich werden wir morgen beim Aufstehen bereits auf Gran Canaria sein – und vor der Kabinentür wird ein modifiziertes Tagesprogramm hängen … und das sind dann die Momente, in denen ich die Mitarbeiter hier nicht beneide – sondern bewundere!
Denn im Gegensatz zu ihnen kann ich jetzt ganz entspannt ins Bett gehen – und morgen früh einfach mal schauen, was man heute Nacht so für uns getan (gezaubert) hat …
Wobei ich gegen 1.00 Uhr nochmal wach werde – und feststelle, dass wir aktuell mit voller Kraft (knapp 21 Knoten) auf dem Weg nach Gran Canaria sind … und das Schiff (zumindest hier oben auf Deck 11 vorn) gut im Wind liegt. Kein wirklicher Seegang – aber man merkt den Wind durch die große Angriffsfläche deutlich.