Die „Kulturhauptstadt“ Mindelo auf der kapverdischen Insel São Vicente ist unser erster Hafen auf dieser Reise. Pünktlich um 7.00 Uhr haben wir im Hafen angelegt, so dass unserem Ausflug um 9.00 Uhr nichts mehr im Wege steht. Außer einem Frühstück natürlich – und das gibt es heute im Anckelmannsplatz. Das ist einfach effizienter, wenn man ein bisschen im Termindruck ist, als die Bedienung am Tisch im Atlantik.
Und so stehen wir vier, gewaschen und gestärkt, kurz vor neun an der Gangway, um uns auf den Weg zu unserem Reiseleiter zu machen, der uns und etwa 15 andere Mitreisende mit einem Schild „vista verde“ empfangen sollte.
Wir haben hier nämlich einen privaten Ausflug bei einer einheimischen Agentur gebucht, der zum einen in Kleingruppen und zum anderen mit einem deutschsprachigen Reiseleiter durchgeführt werden soll. Gefunden habe ich den Veranstalter (www.vista-verde.com) nach einem Hinweis in einem Kreuzfahrtforum. Der achtstündige Ausflug für 45 € soll dabei eine schöne Mischung aus Kultur, Natur und Freizeit sein:
„Entdecken Sie mit uns am Vormittag die Stadt Mindelo. Während unseres etwa einstündigen Stadtspaziergangs passieren Sie die wichtigsten Gebäude und Plätze der Hafenstadt. Gleichzeitig tauchen Sie ein in das quirlige Markttreiben. Danach fahren Sie im bequemen Kleinbus auf den höchsten Gipfel der Insel, den Monte Verde und erhaschen bei klarer Sicht einen atemberaubenden Blick über die gesamte Insel. Unsere nächste Station ist der kleine Küstenort Baia das Gatas mit seinen bunten Fischerbooten. Die geschützte Bucht eignet sich hervorragend für ein erfrischendes Bad im Atlantik. Anschließend führt Sie der Ausflug weiter nach Calhau, einem bei den einheimischen Familien sehr beliebten Wochenenddorf inmitten einer eindrucksvollen Vulkanlandschaft. Vorher spüren Sie den feinen Sand unter Ihren Füßen, indem Sie barfuß auf der großen Düne am Praia Grande entlang spazieren. Unser Rückweg führt Sie durch die grünen Oasen im Tal von Madeiral. In diesem flachen, weit ausladenden Tal wird mittels Bewässerung intensiv Landwirtschaft betrieben, die Felder sind malerisch von Palmen umgeben. Gestärkt durch ein traditionelles kapverdisches Mittagessen bei einer deutsch/kapverdischen Familie unternehmen Sie am Nachmittag einen gemütlichen Spaziergang zum Strand von Lajinha (mit Bademöglichkeit), bevor Sie anschließend mit vielen neu gewonnenen Eindrücken auf Ihr Kreuzfahrtschiff zurückkehren.“
Wir sind also sehr gespannt, was uns heute erwartet. TUI hat zumindest in Bezug auf die angebotenen Landausflüge die Erwartungen schon mal heruntergeschraubt: „Die Kapverden sind ein wunderschöner, aber auch armer Inselstaat, was sich auch im Straßenbild widerspiegelt. Die Infrastruktur ist nicht besonders gut ausgebaut und es kann vorkommen, dass es auf Ihrem Ausflug nur begrenzt Zugang zu öffentlichen Toiletten gibt, die einem sehr einfachen Standard entsprechen.“
Die anderen Mitreisenden haben wir übrigens inzwischen gefunden, leider aber nicht den Guide von vista verde. Und während die Ausflugsbusse von TUI an uns vorbeifahren, machen wir uns zunächst mal auf die Suche. Und werden dann auch fündig – vor der Hafeneinfahrt steht unsere Reiseleiterin mit besagtem Schild. Und sie hat eine Liste, auf der auch wir stehen – jetzt kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Und so machen wir uns auf den Weg. Erste Station ist ja ein Stadtrundgang, der allerdings nicht wie geplant eine Stunde sondern knapp drei Stunden dauert. Aber wir haben heute ja sonst nichts weiter vor … 😉 Und so führt uns unser Weg am Hafen entlang in Richtung Innenstadt, wo wir die historischen Grundlagen zu den Kapverdischen Inseln im Allgemeinen und zu Mindelo im Besonderen erläutert bekommen. Übrigens in sehr gutem Deutsch – und damit sind wir den TUI-Ausflügen schon voraus, denn hier gibt es nur englischsprachige Reiseleiter.
Unser erster Stopp ist dann das Kulturzentrum – nun ja, stellen wir uns ein Haus mit mehreren (fast) leeren Räumen und einem Innenhof vor … damit sind wir schon dicht dran an dem, was wir hier wahrnehmen. Zugegeben, im hinteren Bereich stehen einige Bücher (Bibliothek) und im Eingangsbereich hängen einige Fotos an den Wänden (Galerie). Und im Innenhof schläft ein älterer Bürger (müde?). Aber das war’s dann auch schon – scheint hier überschaubar zu sein mit der Kultur.
Da versprechen wir uns von der nächsten Station schon mehr – besuchen wir doch den lokalen Fischmarkt. Wir erhalten zunächst einige Verhaltenshinweise (zum Beispiel niemanden ungefragt fotografieren und nicht zu lange vor einem der Stände herumstehen) bevor wir das Gebäude betreten. Das Hinweisschild auf den Fischmarkt wäre im Übrigen gar nicht notwendig gewesen – direkt nach dem Betreten der Markthalle erschließt sich das aufgrund des Geruchs von selbst.
Vor uns erstrecken sich mehrere lange Tische, auf denen die Fischer ihre Ware feilbieten. Und das dürfte in der Tat so alles sein, was sich hier im Meer finden lässt. Alle Arten von Fisch und Meeresfrüchten lassen sich hier finden – belagert von einer unüberschaubaren Zahl von Fliegen. Ab und zu läuft zwar eine Frau gesetzteren Alters mit einem Lappen bewaffnet durch die Reihen und wedelt die Fliegen weg – aber das ist nur von kurzer Dauer. In einer Ecke sehen wir eine Katze, die sich einen der Fische geschnappt hat, während einer der vielen Straßenhunde zwischen den Ständen herumschleicht.
Der Fisch mag dabei ja sicherlich frisch sein, allerdings lässt sich hier weder feststellen, ob es Hygieneregelungen gibt, noch ob diese eingehalten werden. Gefühlt wohl eher nicht – weder das eine noch das andere.
Und von daher sind die meisten froh, wieder an der frischen Luft zu sein und etwa zehn Minuten später den normalen Marktplatz erreicht zu haben. Hier bieten Händler (viele davon aus dem Senegal) alles feil, was man transportieren kann. Ob das Schuhe sind, Handys oder Fernsehgeräte, selbst hergestellter Schmuck oder Körperpflegeprodukte – hier könnte man es finden. Was es allerdings nicht gibt, sind Wandteller … wenn also jemand einen kennt, der so etwas sammelt – von hier gibt es leider kein Souvenir.
Übrigens fällt hier auf, dass die Verkäufer, die vor ihren Ständen meist auf Kisten sitzen, keinen so richtig fröhlichen Eindruck machen – das hat man in anderen Ländern auch schon anders gesehen. Das Ganze hängt unserer Reiseleiterin nach aber in der Tat wohl mit der wirtschaftlichen Lage zusammen, die man halt nicht wirklich als gut bezeichnen kann.
Nach etwa 15 Minuten Aufenthalt setzen wir unseren Weg durch die Stadt fort – hier sehen wir das Rathaus und die katholische Kirche (etwa 85% der Einwohner sind katholisch – wenn auch „nicht so richtig“ … denn viele Kinder werden hier gezeugt, ohne dass im Vorfeld eine Eheschließung stattgefunden hat. Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens die Frage einer Mitreisenden, wie „das denn gehen“ würde … nun, man könnte da eine Idee haben … ;-))
Als letzte Station auf unserem Spaziergang statten wir jetzt noch dem Gemüsemarkt einen Besuch ab – und der sieht im Gegensatz zum Fischmarkt schon deutlich appetitlicher aus. Ach ja, hier gibt es erstmals die Möglichkeit, Toiletten zu benutzen – ist ja ggf. für den einen oder anderen Nachahmer nicht ganz unwichtig.
Auf dem Weg zu unserem Bus kommen wir noch an einem kleinen Lebensmittelladen vorbei, in dem wir noch schnell unseren Getränkevorrat auffüllen – gegen Euro. Denn kapverdische Escudos hat natürlich niemand von uns. Aber bei dem Wetter (32 °C, die – so die Tagesinfo von TUI – als „deutlich wärmer empfunden“ werden) nimmt man auch einen nicht ganz so optimalen Wechselkurs in Kauf, um etwas Flüssiges zu erhalten.
Unser Bus ist übrigens ein Isuzu für 21 Personen, der normalerweise im Linienverkehr eingesetzt wird. Und auch die Busse für die TUI-Ausflügler entsprechen diesem Modell. Allerdings hat das dann für die hier lebende Bevölkerung auch deutliche Nachteile, wenn ein Kreuzfahrtschiff im Hafen liegt – an diesen Tagen funktioniert der öffentliche Personennahverkehr hier nämlich nur sehr eingeschränkt.
Unser Bus hat zwar zwei Türen, die sich mittels Druckluft öffnen lassen – das waren dann aber auch schon die ausstattungstechnischen Highlights. Die Mikrofonanlage wird durch die laute Stimme unserer Reiseleiterin ersetzt, die Klimaanlage durch die während der Fahrt geöffneten Türen. Die Windschutzscheibe war sicherlich irgendwann auch mal einteilig (und nicht gerissen) und das Lenkrad stand bei Geradeausfahrt sicherlich auch mal so, dass man den „Isuzu“-Schriftzug hätte lesen können.
Aber zugegeben – im Wesentlichen hat das Teil seinen Zweck erfüllt. Auch wenn wir bei uns andere Standards als gesetzt ansehen würden …
Unser Busfahrer bringt uns nun direkt zum Haus eines der von vista verde eingesetzten Reiseleiter – denn dessen Frau hat das Mittagessen für uns gekocht: einen kapverdischen Eintopf, der im Wesentlichen auf Fleisch, Gemüse und Kartoffeln basiert. Und richtig lecker geschmeckt hat – wenn auch nicht jedem. Denn manch einer war auf dem „Kenn ich nicht, ess’ ich nicht“-Trip. OK, gekannt habe ich das auch nicht, aber probiert habe ich es trotzdem. Und ich fand’s echt gut. Mal ganz davon abgesehen, wie viele Leute bei uns zu Hause ihr Wohnzimmer leerräumen würden, nur weil 20 Touris mal auf einen Lunch vorbeischauen wollen.
Den Nachmittag leitet dann die Bergauffahrt mit unserem Bus zum Monte Vista, den mit knapp 800 m höchsten Punkt der Insel ein. Leider ist es ein wenig diesig, so dass man sich Teile des Ausblicks eher denken muss als sie mit eigenen Augen betrachten zu können. Aber einen tollen Blick hätte man da theoretisch schon …
Auch interessant – kaum sind wir oben, öffnet unser Busfahrer eine Luke im Boden und füllt mal eine Flasche Kühlwasser nach … die Fahrt nach hier oben scheint dem Gefährt also nur bedingt bekommen zu sein. Und irgendwie hat man das auch gemerkt … 😉
Die nächste Station unserer Rundfahrt ist dann der Küstenort Baia das Gatas mit seiner geschützten Bucht – hier haben wir 1 ½ Stunden Aufenthalt, die zum Sonnenbaden oder einem Bad im Atlantik genutzt werden können. Aufgrund der Lage ist die Bucht insbesondere für Familien mit Kindern geeignet, da das Wasser nicht nur warm, sondern vor allem auch nur maximal knie- bis hüfttief ist. „Meeresfeeling“ mit Wellen, die auf ihrem Weg an den Strand alles mitreißen, kommt da zwar nicht auf, für eine Abkühlung ist der Strand aber sehr gut geeignet. Wobei eine Stunde Aufenthalt wohl gereicht hätte. Zumal es hier keinerlei Infrastruktur, also weder Duschen, noch Umkleiden, noch Toiletten gibt. Das ist zwar nicht wirklich schlimm – aber für manch einen kann das ja ein KO-Kriterium sein …
Auf unserem Rückweg zum Schiff sehen wir noch die „Große Düne“ am Praia Grande, die aus feinem, weichem Sand besteht – und der stammt direkt aus der Sahara. Das ist schon beeindruckend – und ein tolles Gefühl beim Gehen, wenn man sich mal barfuß darauf einlässt.
Wenige Kilometer weiter, die sich auf dem hier üblichen Kopfsteinpflaster jedoch viel weiter anfühlen, machen wir dann unseren letzten Stopp auf diesem Tagesausflug: das Tal von Madeiral. Im Gegensatz zur restlichen Insel gibt es hier nämlich noch Grundwasser. Und damit Landwirtschaft. In von Palmen eingeschlossenen Feldern wird intensiv Gemüse angebaut und so findet zumindest in Teilen eine Selbstversorgung statt während der Rest auf den Märkten von Landwirten anderer Inseln gekauft werden muss.
Der Rückweg zum Schiff verläuft dabei zunächst problemlos – bis hunderte von Menschen die komplette Straße blockieren. Sie spazieren im Schritttempo vor unserem Bus. Was zunächst wie ein Streik aussieht, ist – wie wir von unserem Guide erfahren – tatsächlich eine Beerdigung. Und zwar eine mit wenigen Trauergästen – normalerweise wären das viel mehr. Offensichtlich war das also eine Beerdigung nur im engsten Familienkreis …
Allerdings ist dadurch unser Rückweg etwas länger. Also nicht länger, es dauert halt nur. Und erst am Friedhof, etwa 30 Minuten später, gibt es für uns die Chance, in einem relativ waghalsigen Manöver den Bus vor den Trauerzug zu setzen und das letzte Stück zum Hafen zurück zu legen.
Dort angekommen führt mich mein Weg umgehend in die Sauna – hier kurz schwitzen, dann kalt duschen und danach zurück in die Kabine. Noch habe ich ja Internet über das lokale Mobilfunknetz und so nutze ich die Zeit bis zum Abendessen mit der Bearbeitung einiger Mails.
Und da das gestern ja nicht geklappt hat, haben wir für heute einen Tisch im japanischen Spezialitätenrestaurant Hanami reserviert – und so gibt es einen leckeren Sushiabend. Und auch wenn es hier kein „All-you-can-eat“ wie bei AIDA gibt, ist eine gemischte Platte mit 20 Sushi bzw. Sashimi in Verbindung mit einer kompletten Rolle mehr als ausreichend (und preislich vergleichbar).
Gut gesättigt mache ich mich jetzt auf den Weg in die „Unverzichtbar“ auf dem Pooldeck, um bei einem Aperol Spritz den heutigen Tag Revue passieren zu lassen und mal kurz aufzuschreiben, was wir so gemacht haben.
Und so geht auch der heutige Abend irgendwann zu Ende – und da wir morgen in Praía erneut einen Ganztagesausflug mit einem privaten Anbieter gebucht haben und dieser bereits um 8.00 Uhr beginnt, geht’s jetzt auch gleich ins Bett …