Unser heutiger Ausflug beginnt noch mal etwas früher – um 8.15 Uhr treffen wir uns bereits am Hafenausgang. Und somit setzen wir das Frühstück mal für 7.15 Uhr im Anckelmannsplatz an. So ist zumindest der Plan. Denn Dennis stellt nach dem Aufwachen fest, dass er zum einen kaum noch Stimme hat und zum anderen – ich zitiere – „tierische Halsschmerzen“. Von daher reduziert sich unsere Reisegruppe heute auf drei Personen während das Tagesprogramm von Dennis heute zu einem Arztbesuch im Hospital mit anschließender Genesungsphase wechselt. So denken wir uns das zumindest …
Und von daher treffen wir uns nur zu Dritt auf der Terrasse am Anckelmannsplatz zum Frühstück bevor wir uns um kurz nach acht auf den Weg zu unserem Treffpunkt machen. Natürlich nicht, ohne Dennis noch Gute Besserung zu wünschen.
Den heutigen Ausflug habe ich bei Sibylle Schellmann gebucht, die auf ihrer Website http://www.reisetraeume.de/ seit 14 Jahren verschiedene Ausflüge in Kleingruppen auf den Kapverdischen Inseln, darunter auch einen speziell für Kreuzfahrer konzipierten, anbietet. Und das teilweise auch noch mit deutschsprachiger Reiseleitung … Also genau das, was wir suchen und tendenziell den „Massenausflügen“ der Kreuzfahrtanbieter vorziehen.
Und so machen wir uns auf dem Weg zum Hafeneingang, der zwar nicht beschildert, aber dennoch nach knapp zehn Minuten erreicht ist. Hier treffen wir dann auch gleich auf eine Gruppe Gleichgesinnter, die auch bei Sibylle gebucht haben – wie wir erfahren, insgesamt über 60 Personen, die auf acht Kleinbusse vergeteilt die Insel Santiago kennenlernen werden (wobei allerdings nicht jede Gruppe einen deutschsprachigen Guide hat).
Wir allerdings schon – und so folgen wir kurz darauf Tom, der vor gut zehn Jahren aus Deutschland auf die Kapverden ausgewandert ist, zu unserem Kleinbus, einem Toyota Hiace, der uns mit samt Fahrer für heute zur Verfügung steht. Und das Fahrzeug sieht nicht nur neu aus – das ist auch neu. Und zwar ganz neu, wie wir erfahren – wir machen heute quasi die Jungfernfahrt. Wobei unsere Hoffnung auf eine Klimaanlage dann doch schnell zerstreut wird – unser Fahrer hätte zwar gern eine gehabt, aber die gab es aktuell halt nicht. Denn hier muss man kaufen, was gerade im Container aus Japan ist – und das war halt der Hiace ohne eine solche …
Nun denn, das haben wir gestern ja schon mal überlebt – das wird auch heute gehen. Obwohl wir auch wieder Temperaturen deutlich über 30°C und einer Luftfeuchtigkeit nahe der 100%-Marke ausgesetzt sind.
Im Übrigen hat der Hiace wie alle Fahrzeuge dieses Typs insgesamt 14 Fahrgastplätze (allerdings auf einen Raum verteilt, in dem man bei uns maximal acht Sitze montiert) – trotzdem werden die Fahrzeuge von Sibylle immer mit maximal acht Gästen besetzt, damit jeder etwas Freiraum und einen Fensterplatz hat. Das hat man bei anderen Anbietern auch schon anders erlebt – und zugegeben, mit 14 Personen einen Tag lang in diesem Fahrzeug – das wäre der reinste Horror. Und gäbe Arbeit für den Bordarzt – da wären Thrombosen vorprogrammiert.
So jedoch scheint das ein angenehmer Tag zu werden. Gemeinsam mit einer vierköpfigen Familie machen wir uns auf den Weg zu unserem ersten Stopp – dem historischen Fort „Cidade velha“ („Alte Stadt“). Unterwegs werden wir jedoch bereits von der Gegenwart eingeholt – Dennis ruft an. Er war beim Bordarzt (bzw. bei der „Nurse“ am Empfang) und wurde von dort wieder weggeschickt – ohne seine Eltern würde hier keine Behandlung erfolgen. Und so steht er jetzt an Bord, hat starke Halsschmerzen und soll noch rund 9 Stunden unbehandelt auf unsere Rückkehr warten.
So richtig glauben können wir das nicht. Zum einen passt das nicht unbedingt zum Eid des Hippokrates, zum anderen auch nicht zu unserem Grundverständnis einer ärztlichen Versorgung. Und so drängt sich der Verdacht auf, dass das irgendwie auch mit dem Thema „Kostenübernahme“ (die natürlich vollkommen problemlos wäre) zu tun hat. Von daher unternimmt Arndt den Versuch, telefonisch über die Rezeption Kontakt zum Bordarzt oder ersatzweise einem leitenden Offizier aufzunehmen. Leider vergeblich … „nicht zuständig“, „in einem drill“ und ähnliches mehr – weiterhelfen könne man ihm aber nicht, Dennis müsse eben warten.
Und während wir bereits in die Planung einsteigen, wie wir unseren Ausflug modifizieren (Dank der kleinen individuellen Gruppe wäre das ja überhaupt erst möglich), so dass wir noch einmal zurück zum Schiff fahren und die Formalien regeln, dann die Wende. Durch weiterhin massiven Druck ist es jetzt immerhin gelungen, eine Dame von der Bordreiseleitung ans Telefon zu bekommen – und sie versteht die Problematik. Und löst das Problem, in dem sie mit Dennis beim Bordarzt vorbeischaut. Und dann gibt es auch eine rasche Lösung. Denn die Untersuchung ergibt eine massive Halsentzündung, die jedoch mit Hilfe der verschriebenen Medikamente in den Griff zu bekommen sein sollte. Und in jedem Fall schon mal vor unserem Eintreffen am Abend deutliche Schmerzlinderung verspricht.
Warum TUI es ausdrücklich gestattet, dass 16- und 17-jährige allein an Bord bleiben dürfen, dann aber im Krankheitsfall eine ärztliche Versorgung ablehnt, wird bis auf weiteres ein Rätsel bleiben. Und auch der Hinweis, dass man in einem „lebensbedrohlichen Notfall“ natürlich Hilfe geleistet hätte, ändert nichts an dem bitteren Beigeschmack. Das wird sicherlich im Nachgang noch einer Aufarbeitung bedürfen.
Von daher sind wir erst einmal beruhigt, so dass wir unseren Ausflug wie geplant fortsetzen können. Und das ist jetzt die besagte Alte Stadt, ein Weltkulturerbe der UNESCO. Diese wurde im 15. Jahrhundert nämlich zum Zentrum des Sklavenhandels; es war das größte natürliche Gefängnis der Geschichte, da es kaum Möglichkeiten gab, aus diesem Tal zu entkommen. Und die wenigen, denen es gelang und die sich in den Berglandschaften verstecken konnten, sind sozusagen die „Ureinwohner“ der Kapverden und die Vorläufer der heutigen Bewohner der Inseln. Der Pranger aus dem Jahre 1512 ist das noch heute sichtbare Symbol der damaligen dunklen Zeit.
Von hier führt unser Weg zu einem der quirligsten Bereiche der Inselhauptstadt Praía, dem Obst- und Gemüsemarkt. An unzähligen Ständen verkaufen die Frauen das, was das Land hergibt. Und das ist hier auf Santiago, im Gegensatz zur Insel São Vicente gestern, relativ viel, da das Land hier deutlich fruchtbarer ist. Und das fällt insbesondere auch bei der Fahrt über die Insel auf – hier ist irgendwie alles grün und nicht so karg wie gestern.
Und noch etwas fällt auf – die Technik, mit der Frauen ihre Einkäufe und Lasten tragen. Nämlich auf dem Kopf. Das hat man natürlich schon vielfach im Fernsehen gesehen – und doch ist es imposant, das hier mal live zu sehen. Zumal es dabei ja nicht nur um ein Pfund Tomaten geht – vielfach tragen die Frauen hier ganze Kartoffelsäcke mit mehr als 25 kg durch die Gegend. Und das geht auch nur, weil sie von jemand anderem „beladen“ und zu Hause wieder „entladen“ werden. Offen bleibt allerdings die Frage, warum diese Lasten nicht von Männern getragen werden … aber vermutlich könnten die dann ja nicht beim Be- und Entladen helfen … 😉
Wir setzen unterdessen unsere Fahrt fort, halten noch kurz an einer Tankstelle, um unseren Getränkevorrat aufzufüllen (ich erinnere an die hohen Temperaturen) bzw. wieder wegzubringen, passieren immergrüne Täler, den ersten Stausee der Kapverden (den man sich allerdings in kleineren Dimensionen vorstellen muss als dies bei unseren Stauseen der Fall ist) bis wir auf dem Weg zum Mittagessen in einen der seltenen Regenschauer gelangen.
Diese sind in der aktuellen Regenzeit natürlich jederzeit denkbar, aber dennoch äußerst selten (meistens gibt es hier nur wenige Regentage im Jahr). Und von daher ist das natürlich schon etwas Besonderes – und für die Bewohner hier sogar sehr erfreulich.
Wie selten solche Ereignisse sind, sieht man jedoch beispielsweise an unserem Fahrer. Durch die nochmals gestiegene Luftfeuchtigkeit und die jetzt geschlossenen Fenster in unserem Kleinbus sind alle Scheiben rundum komplett angelaufen. Er sieht jetzt praktisch nichts mehr – und hat keine Ahnung, was er dagegen tun soll.
Erst mit unserer Unterstützung haben sich ihm die Lüftungseinstellungen erschlossen und er weiß jetzt, was die Symbole auf dem Einstellrad bedeuten, warum es intelligent ist, das Armaturenbrett nicht mit einem Teppich zu verkleiden und dass die Einstellung des Gebläses auf die höchste Stufe auch etwas mit freier Sicht zu tun hat. Das hat ihm bislang alles noch nie jemand erklärt …
Und nachdem er jetzt wieder sieht wohin er fährt und das nicht nur erahnt, kommen wir auch irgendwann an unserem Ziel, dem Restaurant von Sibylle, „Esplanada Silibell“ genannt, an. Neben der erneuten Möglichkeit, eine Toilette zu benutzen (die Möglichkeiten hierzu sind auf den Kapverden ja überschaubar), gibt es hier einen kleinen Snack zum Mittagessen: „kapverdisches Fingerfood“. Bestehend aus diversen Früchten, kleine pikante Fischtaschen sowie süßem Kleingebäck. Dazu gibt es Wasser, Limo, Kaffee oder kapverdisches Bier („Strela“). Und das schmeckt erstaunlich gut …
Während der Vormittag im Wesentlichen also den Schwerpunkten Kultur und Natur gewidmet war, kommen wir jetzt langsam zum „erholsamen Teil“ der Tour, was insbesondere bei den beiden Kids für freudige Gesichter sorgt. Denn obwohl Santiago eine Insel ist, sind die Entfernungen hier durchaus nicht so kurz – und von daher bestand ein nicht unerheblicher Teil unseres Tages bislang auch aus Autofahren. Was andererseits natürlich Gelegenheit gibt, von Tom viele Informationen über „Land und Leute“ zu erhalten – einer der unschlagbaren Vorteile solcher Ausflüge in Kleingruppen. Und so haben wir alle inzwischen einen sehr guten Überblick über die Kapverden und das Leben hier.
Und auch auf unserem weiteren Weg, durch einen (und den einzigen) Tunnel der Insel, vorbei am „Tal der 1000 Palmen“ sehen wir in den Dörfern rechts und links unseres Weges viel vom Alltag. Und der besteht zu einem nicht unerheblichen Teil daraus, auf einem Plastikstuhl in kleinen Gruppen vor den (meist erst halbfertigen) Häusern zu sitzen, mit einander zu reden oder sich mit einem Smartphone zu beschäftigen. Ganz im Sinne des hiesigen Lebensmottos „No stress!“. Denn alles das, was man heute nicht schafft, kann man ja ggf. morgen noch mal angehen. Oder übermorgen oder so …
Prokrastination (wer nicht weiß, was das ist, fragt am besten mal einen Schüler oder Studenten bei der Prüfungsvorbereitung oder notfalls Wikipedia) ist hier also ein weit verbreitetes Phänomen – nur, dass man es hier einfach zum Lebensinhalt erhoben hat.
So langsam aber sicher nähern wir uns dabei unserem letzten Ziel des heutigen Tages: dem kleinen Stadtstrand „Cebra canela“. In überschaubarer Größe findet sich hier eine kleine Bucht mit weißem Sandstrand und – im Gegensatz zu gestern – auch einigen Wellen. Der Strand wird sowohl von einer Badeaufsicht als auch von einem Polizisten überwacht (während der eine guckt, dass niemandem etwas passiert, guckt der andere, dass die lokalen Regeln (keine Hunde, keine Partys) eingehalten werden) und besitzt eine kleine Strandbar („Cebra cabana“).
Und so teilt sich unsere Gruppe jetzt auf – während sich die Kids der uns begleitenden Familie (endlich) in die Fluten stürzen können, probieren wir gemeinsam mit Tom die Caipis an der Strandbar (sind übrigens sehr lecker – fast wie in Brasilien) und erfahren noch vieles mehr über den Alltag in einem (langsam aufstrebenden) Entwicklungsland.
Und haben zum Abschluss noch ein Erlebnis, das dann wieder unter Hand geht. Zumindest mir geht das so – und es erinnert mich in Teilen an meine Erlebnisse in Indien. Wir bezahlen unsere Rechnung in Euro und runden für hiesige Verhältnisse recht großzügig auf, d.h. wir bezahlen mangels Wechselgeld in Euro die Rechnung über 16 € mit einem 20 €-Schein. Zunächst will uns die Bedienung trotz unseres Hinweises auf ein Trinkgeld das Wechselgeld in Escudo geben und erst nach nochmaliger Bestätigung, dass das so in Ordnung wäre, nimmt sie das Trinkgeld an – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Ihr das die Möglichkeit gibt, für ihren Sohn zusätzliche Schulbücher zu kaufen, die er sich dringend wünschen würde.
Und das sind dann wieder die Momente, die ich jedem bei uns zu Hause wünschen würde, der mal wieder „mit seiner Gesamtsituation unzufrieden“ ist … denn wir alle wissen gar nicht mehr, wie gut wir es eigentlich haben und auch ich brauche immer wieder diese kleinen Erlebnisse, um zu erkennen, wie unwichtig die Dinge sind, die wir bei uns als „Problem“ ansehen und um die Lebensverhältnisse bei uns mal wieder realistisch einschätzen zu können …
Doch zurück zu unserem Ausflug. Unser Fahrer, der sich mal eine Stunde freigenommen hatte, ist zwischenzeitlich wieder da und so machen wir uns auf den Weg zurück zum Schiff – allerdings nicht, ohne vorher noch an zwei Stellen anzuhalten, von denen aus man einen tollen Blick auf die Mein Schiff 4 hat (eines davon ist das Coverfoto). Wieder einer dieser Vorteile eines individuellen Ausflugs – versucht das mal mit einem vollbesetzten Reisebus während eines TUI-Landausflugs …
Kurze Zeit später sind wir dann zurück am Schiff und nach der Verabschiedung von Tom machen wir uns auf den Weg zurück in unsere „Luxuswelt“. Hier treffen wir dann auch auf Dennis, dem es inzwischen zumindest schon mal deutlich besser als heute Morgen geht. Unvorstellbar, dass nach Vorstellung von TUI erst jetzt der Arztbesuch möglich gewesen wäre …
Ach ja, heute hat sich dann doch noch ein Nachteil unserer Kabine ergeben. Vier der Spa-Balkonkabinen (11015, 11017, 11019 und 11021) liegen genau unterhalb es Sportbereichs, in dem die Kurse stattfinden. Und während dieser Zeiten (sagen wir mal so zwischen 15 und 21 Uhr) kann man es in unserer Kabine praktisch nicht aushalten. Sowohl die Bässe der meistens hierbei genutzten Musik als auch – und das vor allem – rhythmische Springen, Trampeln, Hopsen (und was auch immer da so gemacht wird) kommen in der Kabine als ein Dröhnen an – da hilft nur die Flucht. Wer also regelmäßig zu dieser Zeit einen kleinen Mittagsschlaf macht (machen will) oder wie Dennis krank im Bett liegt, wird mit dieser Kabine keine so wirkliche Freude haben. Und so muss ich morgen mal schauen, ob ich unsere Kabine für die nächste Reise mit der Mein Schiff 4 (das wäre nämlich die 11015 gewesen) noch wechseln kann …
Jetzt aber mache ich mich zunächst mal frisch (Ihr kennt das ja schon: kurzer Saunagang, kalte Dusche), so dass wir um 19.30 Uhr unseren Essenstermin im „Gosch Sylt“ wahrnehmen können. Denn heute ist mal Fisch angesagt – und wo könnte man das besser genießen als hier.
Dabei ist das Restaurant eine Mischung aus „All-inklusive“ und „Spezialitätenrestaurant gegen Aufpreis“. Einen Großteil der Gerichte gibt es hier kostenfrei wobei es die eine oder andere Spezialität (Hummer, Austern, Kaviar) gegen einen Aufpreis gibt. Ich finde jedoch genügend Auswahl auf der „Kostenlos-Seite“ der Speisekarte und lasse mir daher jetzt einen Blattsalat mit Nordseekrabben, eine Spargelcremesuppe mit Garnelen sowie als Hauptgericht Garnelen mit Baguette und Knobisauce schmecken. Das alkoholfreie Weizen bekommen wir von der Außenalsterbar ein Deck höher gebracht – ein sehr schöner Abend, den wir Dank Reservierung auch noch im Außenbereich des Gosch genießen können.
Bleibt nur noch der Hinweis des Kapitäns bei seiner Durchsage zum Ablegen, dass wir – aufgrund anstehender Dünung – heute Nacht die Kabine „seefest“ machen sollen, d.h. keine schweren Gegenstände offen herumliegen lassen und die Schrank- und Badtüren verschließen sollen. Na dann schauen wir mal, was uns heute Nacht erwartet …