OK, zugegeben, „Selbstversuch“ hört sich so ein bisschen nach „freiwillig“ an. Ganz so war es nicht – der Zahnarztbesuch während der Griechenlandreise musste sein. Aber auch das bietet natürlich mal die Gelegenheit herauszufinden, was denn da so passiert, wenn man während einer Kreuzfahrt Probleme mit den Beißerchen bekommt.
Bei mir passierte es im Surf & Turf Steakhaus. Mitten im Hauptgang merkte ich beim Kauen, dass irgendwas nicht stimmt. Und richtig – außer dem (hervorragenden) Fleisch befand sich auch eine Zahnkrone in meinem Mund. Allerdings nicht mehr da, wo sie sein sollte (nämlich auf dem Zahn), sondern irgendwo zwischen den Steakstücken. Glücklicherweise habe ich es gleich gemerkt und konnte diese somit retten bevor sie in den Verdauungsprozess eingebunden worden wäre.
Sie war auch – soweit ich das feststellen konnte – unbeschädigt und ließ sich – nachdem ich den betreffenden Zahn ausfindig gemacht hatte – wieder einsetzen. So richtig gehalten hat sich aber natürlich nicht, so dass ich für das restliche Essen vorsichtig die andere Seite im Mund zum Kauen genutzt habe. Glücklicherweise war das Ganze auch nicht mit Schmerzen verbunden – von daher hätte es viel schlimmer sein können.
So machte ich mich nach dem Essen dann auf den Weg zur Rezeption – ich ging einfach mal davon aus, dass man da schon wissen würde, was zu tun wäre. Natürlich hatte auch ich eine Vorstellung, wie das jetzt weitergehen könnte – und wir werden gleich sehen, dass das nicht in allen Teilen identisch war.
Ich ging davon aus, dass man im Bordhospital die Krone behelfsmäßig wieder befestigen könnte (beispielsweise mit Temp Bond) – dazu braucht es ja nur das Material. Einen Zahnarzt muss man damit nicht unbedingt behelligen, notfalls kann man das auch selbst machen.
Aber so einfach war es nicht – dass man kein Fachpersonal (Zahnarzt) hat Bord hat, war mir durchaus klar (aber den hätte ich ja auch nicht zwingend gebraucht); etwas verwundert war ich aber darüber, dass es auch keinerlei Material an Bord gäbe, das man für Zahnbehandlungen gebrauchen könnte (von anderen Reedereien habe ich zumindest gehört, dass man ein komplettes „Zahnarztbesteck“ bereithalten würde, da ja im Notfall u.U. ein zufällig mitreisender Zahnarzt unterstützen könnte – davon scheint man dann bei TUI Cruises offensichtlich nicht auszugehen).
Von daher war schon mal klar, dass es kurzfristig (wir hatten inzwischen aus Piräus abgelegt und haben morgen einen Seetag) nichts gäbe, was man an Bord für mich tun könnte. Und so war ich schon mal froh, dass nichts passiert ist, was einer umgehenden Behandlung bedurft hätte oder vielleicht noch mit Schmerzen einhergegangen wäre (wobei man dann vielleicht ja mit einem Schmerzmittel unterstützen hätte können).
Ich habe meine Krone also selbst nochmals fest auf den Zahn gedrückt in der Hoffnung, dass sie da bis übermorgen bleibt – und offensichtlich war sie so gut und passgenau gearbeitet, dass sie mir den Gefallen sogar getan hat. Aber Memo an mich selbst: die Reiseapotheke wird ab sofort um „Temp Bond“ erweitert – so eine Krone kann ja immer mal wieder abgehen. Und bei einer Reise mit vielleicht sieben Seetagen würde ich die dann schon gern wieder irgendwie festbekommen.
Nun aber zum zweiten Teil – und da haben die Vorstellungen von mir und von TUI Cruises wieder 100% gepasst: ich habe am Seetag eine Info auf die Kabine bekommen, dass ich mich in Korfu um 9.10 Uhr an der Rezeption einfinden sollte. Von dort würde man mich vom Schiff begleiten (normalerweise ist ein Verlassen ja nur im Rahmen eines TUI-Ausflugs möglich), so dass ich vor dem Schiff in ein von TUI bereits bestelltes Taxi steigen könnte, dass mich zu einem deutschsprachigen Zahnarzt in Korfu bringen würde, bei dem man für mich einen Termin arrangiert habe. Das klingt doch schon mal gut.
Und genau so ist es dann auch gelaufen – wir haben das Schiff verlassen, das Taxi stand bereit und hat mich in einer etwa 15-minütigen Fahrt zu einem Zahnarzt gebracht. Da musste ich zwar noch mal eine halbe Stunde warten (OK, war ja auch ein kurzfristiger Termin), die Krone wurde wieder eingesetzt und verklebt (oder zementiert oder sowas) und 15 Minuten später und um 30 € ärmer (die meine Krankenversicherung sicher gern erstatten wird) habe ich die Praxis wieder verlassen können.
Der Zahnarzt, der im Übrigen mehrere Jahre in Deutschland praktiziert hat und vor daher tatsächlich fließend Deutsch gesprochen hat, hat mir dann mein Taxi wieder gerufen (ich hatte vom Taxifahrer dafür seine Handynummer erhalten) und wenige Minuten später konnte ich auch schon wieder vor der Mein Schiff 6 aussteigen (allerdings um weitere 40 € ärmer – aber auch das wird mit der Krankenversicherung besprochen).
Meine Ankunft mit der Limousine hat zwar noch mal für etwas Unruhe bei der Security gesorgt (denn eigentlich kann ja niemand mit dem Taxi zurück zum Schiff kommen, da ja niemand allein das Schiff verlassen darf) – aber nach einem kurzen Telefonat mit der Rezeption ließ sich auch das aufklären und ich durfte zurück aufs Schiff.
Von daher bin ich mit meinem „Selbstversuch“ durchaus zufrieden. Zumindest was die Abwicklung mit dem Zahnarzt im Hafen betroffen hat – das war von TUI Cruises vorbildlich organisiert.
An Bord hätte ich mir aber durchaus gewünscht, dass man zumindest provisorisch auch ohne anwesenden Zahnarzt hier Hilfe leisten kann – es gibt ja durchaus auch zahnmedizinische Notfälle, bei denen man nicht einfach mal ein paar Tage abwarten kann wie in diesem Fall (der ja auch kein wirklicher Notfall war) – wenn man dann aber noch nicht mal das notwendige Werkzeug vorrätig hat, würde selbst ein zufällig anwesender Zahnarzt nicht viel ausrichten können … Vielleicht sollte man sich da mal an Airlines orientieren, die ja auch mit einem voll ausgestatteten Notfallkoffer unterwegs sind – damit im Notfall ein zufällig mitfliegender Arzt zumindest das notwendige Material hätte, um adäquate Hilfe leisten zu können. Aber vielleicht ist das ja an Bord auch so und man hat das an der Rezeption nur nicht gewusst oder verraten wollen …
Update vom 09.10.2020:
Folgender (fachlicher) Kommentar zu meinem gleichlautenden Facebook-Post relativiert das Nichtvorhandensein des Materials übrigens ein bisschen – deswegen will ich diesen hier gern ergänzend mit einstellen:
„Das Problem ist , dass Du zu großer Wahrscheinlichkeit wenn du richtig starke Schmerzen hast, mit dem evtl. vorhanden Zahnarztbesteck gar nichts anfangen kannst; Du musst den Zahn entlasten, indem Du ihn öffnest und das klappt leider nur mit einer Turbine oder mit einem Schnelllaufwinkelstück – und das wird nicht machbar sein an Bord.
Wobei ich Dir bei allem anderen Recht gebe, selbst eine rausgefallene Füllung ist kein Problem bis zum nächsten Hafen provisorisch mit Cavit schnell zu füllen, dass kann auch der Bordarzt machen.“
Offen bleibt dennoch die Frage, was man an Bord tun könnte, wenn man bei sieben Seetagen mit massiven Zahnschmerzen unterwegs ist.