Der heutige Tag beginnt für mich gegen 7.30 Uhr – wir liegen irgendwo vor Durban im indischen Ozean und stehen auf der Stelle. Was mich wundert – eigentlich sollten wir ja schon angelegt haben. Und kurz darauf umkreist auch noch ein Hubschrauber unser Schiff, um kurz darauf jemanden mittels Seilwinde abzulassen. Ich weiß ja nicht, so richtig „normal“ sieht das nicht aus …

Ist es aber – wie ich später im Gespräch mit dem ersten Offizier erfahre. Zumindest, wenn man in Durban ist. Hier kommt der Lotse meistens per Hubschrauber an Bord und wird manchmal auch direkt von Bord zu Bord geflogen (vielleicht wird er leicht seekrank?). Und dass es zeitlich nicht so genau gepasst hat, ist halt auch eine südafrikanische Eigenart … dem spanischen „mañana“ nicht unähnlich). Haben wir ja aber in Kapstadt schon gelernt: „I’ll do it just now.“ Bedeutet so viel wie „Ich schau mal irgendwann danach.“

Also alles gut – lediglich die Touristik kommt evtl. etwas ins Schwitzen, da die Ausflüge dementsprechend später anfangen müssen. Und sich die zugehörigen Nachmittagsausflüge dann ggf. auch verschieben, womit diese sich dann vielleicht mit der Zeit zum Ablegen ins Gehege kommen. Aber gut, das soll nicht mein Problem sein – unser Ausflug soll um 11.30 Uhr beginnen – und bis dahin ist ja erst einmal noch viel Zeit.

Und die verbringe ich mit einem ausgiebigen Frühstück und anschließendem Aufenthalt auf einer Liege am Pool – dann kann Dennis noch in Ruhe ausschlafen. Er hat ja auch mehrere Stunden später angefangen … 😉

Gegen 11.00 Uhr schaue ich dann mal in der Kabine vorbei, packe meinen Rucksack für den Ausflug (heute ist erstmals auch das aggressive DEET-Insektenmittel angesagt, das etwa eine halbe Stunde vor dem Sonnenschutz aufgetragen werden muss und von daher jetzt an der Reihe ist), schnappe meinen Sonnenhut (ja, ich weiß, sieht doof auf – hilft aber ungemein) und mache mich mit Dennis auf den Weg zu unserem Bus.

Wir sind zwar nicht die letzten, aber fast. Obwohl wir pünktlich sind. Das spricht ja schon mal für die Disziplin der Europa-2-Reisenden … das kenne ich von anderen Reedereien auch anders.

Unser Bus (dieses Mal mit 45 Sitzen ausgestattet) setzt sich in Bewegung in Richtung „Tala Wildreservat“, das etwa 1 ¼ Stunde von Durban entfernt liegt. Und die Zeit nutzt unsere Reiseleiterin, die vor knapp 50 Jahren aus Österreich nach Südafrika eingewandert ist, um uns die eine oder andere Information zu Südafrika im Allgemeinen und zu Durban im Besonderen zu geben. Zumindest für diejenigen, die den Erklärungen und nicht ihrer Musik folgen, eine kurzweilige Fahrt mit vielen Informationen.

Wir haben keinen Stau und kommen daher wie geplant im „Tala Private Reserve“ an. Dieser ist – ebenso wie das Botlierskop Reservat vor zwei Tagen – etwa 3.000 ha groß und beheimatet neben Flusspferd, Giraffen, Antilopen, Zebras und Strauße nur das Nashorn als eines der „Big Five“.

Nach Ankunft werden wir auch hier mit einem kleinen Willkommensdrink empfangen, können noch einen kurzen Toilettengang einlegen und müssen dann natürlich auch hier die obligatorische Haftungsfreistellung unterzeichnen, bevor wir zu unseren Jeeps gehen können.

Unser Jeep ist der erste und Dennis hat (ich will gar nicht so genau wissen wie) mal schnell zwei Plätze in der ersten Reihe besorgt. Schon mal ein guter Anfang, insbesondere weil die Jeeps heute teilweise kleiner sind (drei Reihen mit je drei Personen) und die Sicht weiter hinten zum Fotografieren ein bisschen eingeschränkter ist.

Das Reservat ist gegenüber Botlierskop deutlich übersichtlicher, die Wege sind nicht so steil, es gibt weniger Auf und Ab (das könnten heute vielleicht sogar Rückenkranke mitmachen) – und man sieht (gefühlt) mehr Tiere. Zumindest sind die Strecken zwischen den einzelnen Tieren eher kurz. Das macht es nicht unbedingt schlechter, das „Naturgefühl“ ist hier jedoch nicht so ausgeprägt.

Unabhängig davon sehen wir sie aber alle und kommen auch dicht genug an die Tiere heran. In diesem Zusammenhang erfahren wir übrigens, dass die Tiere den Jeep nicht als Feind ansehen. Der Jeep ist für die Tiere Bestandteil der Natur, er wird von ihnen nicht als Transportmittel für (feindliche) Menschen angesehen – von daher gibt es für die Tiere auch keinen Grund, zu fliehen.

Das würde sich jedoch schlagartig ändern, wenn jemand aus dem Fahrzeug aussteigen würde – in diesem Fall wäre er als (feindlicher) Mensch erkennbar und würde dann bei den Tieren (je nach Tierart und Situation) entsprechende Flucht- oder Angriffsreaktionen auslösen. Am Beispiel einiger Impala-Antilopen demonstriert unser Führer dies eindrucksvoll: die Tiere grasen friedlich wenige Meter neben unserem Jeep – bis er die Tür öffnet und einen Schritt vom Fahrzeug weggeht. Die Tiere flüchten schlagartig, bleiben aber sofort wieder stehen und grasen weiter, als er sich wieder in den Jeep setzt.

Von den „Big Five“ ist hier im Reservat übrigens nur das Nashorn beheimatet – und so bekommen wir auch nur das zu sehen. Wobei es aktuell fünf Nashörner sind, die hier leben – zwei wurden kürzlich von Wilderern getötet, um das Horn zu stehlen.

Dies ist – wie wir von unserem Ranger ausführlich erfahren – im Übrigen ein sehr großes Problem in ganz Afrika. Da im asiatischen Raum das Horn des Nashorns als Heil- und Potenzmittel gilt, wird das Horn der Nashörner auf dem Schwarzmarkt zu Preisen gehandelt, die höher liegen als die Preise von Gold oder Platin. So würden für 1 kg Horn etwa US$ 100.000 gezahlt, was bei einem Gewicht von 4-5 kg etwa eine halbe Million US$ je Nashorn bedeutet. Oder plastischer: wir schauen hier gerade auf rund 2,5 Mio US$.

Inzwischen sind die Nashörner zwar besser geschützt als mancher Politiker (die Tiere sind mit GPS-Sendern ausgestattet, das Horn ist mit einem ID-Chip versehen, um die illegale Ausfuhr zu unterbinden und die fünf Tiere werden hier im Park an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag von zwei bewaffneten Polizisten bewacht) – und trotzdem gelingt es den hochprofessionell mit Hubschraubern und Nachtsichtgeräten operierenden Banden immer wieder, Nashörner zu töten und das Horn abzusägen.

Noch deutlicher wird die Problematik, wenn man die Geburtenrate ins Verhältnis setzt zur Zahl der getöteten Tiere – unser Ranger erklärt uns nämlich gerade, dass wir uns das Bild dieser fünf Nashörner gut einprägen sollten. Wenn wir das nächste Mal in etwa acht bis zehn Jahren nach Afrika kommen würden, wäre das heute nämlich die letzte Gelegenheit dazu. Es sei denn, es gelingt kurzfristig, den Handel mit dem Horn zu unterbinden. Da läuft einem dann irgendwie doch ein kleiner Schauer den Rücken hinunter.

Jetzt setzen wir aber erst einmal unsere Fahrt fort, wobei wir neben den obligatorischen Antilopen, Giraffen, Zebras und Strauße auch viele Wasservögel, giftige Schmetterlinge und drei Flusspferde sehen (die allerdings gerade ein Schläfchen im Wasser machen). Auch interessant: die Zahl der Todesfälle durch Flusspferde liegt höher als durch alle Tiere der Big Five zusammen – klingt danach, als würde man die behäbigen Hippos deutlich unterschätzen.

Nach etwa zwei Stunden sind wir zurück an der Lodge – gerade rechtzeitig, um den aufziehenden Regenschauer nicht unterwegs abzubekommen (und dass der sich ankündigt, kann man sowohl in der Wetter-App als auch an den Wolken am Himmel sowie – am zuverlässigsten – den tief fliegenden Schwalben erkennen).

Wobei das aber den Vorteil hatte, dass heute die Sonne nicht so unnachgiebig gebrannt hat wie vor zwei Tagen in Mosselbaai und die Fahrt dadurch angenehmer gewesen ist.

Es bleibt jetzt noch etwas Zeit für den ansässigen Souvenirshop (der hier übrigens der erste ist, in dem ich Wandteller finde – scheint also in Südafrika eher nicht so ein übliches Mitbringsel zu sein), bevor wir uns wieder auf den Rückweg zu unserem Schiff machen.

Wie auch auf der Hinfahrt schaffen wir die Strecke in einer guten Stunde, so dass wir pünktlich zurück sind – leider allerdings wenige Minuten zu spät für die Waffeln auf dem Pooldeck. Da es heute Abend aber viel Fleisch geben wird, ist das zu verkraften.

Bis dahin schalte ich daher noch mal in den Urlaubsmodus, entspanne etwas im Whirlpool und beim Lesen und werfe mal einen ersten Blick auf die Fotos des heutigen Tages.

Um 19.30 Uhr sammeln wir uns dann wie gewohnt vor unseren Suiten (heute mal wieder mit Jackett), um den Weg zum Tarragon (Ihr erinnert Euch, das ist das französische Spezialitätenrestaurant an Bord) anzutreten. Und unabhängig von der restlichen Karte bedeutet das für mich heute einige Weinbergschnecken in Kräuterbutter vorweg, danach das Beef Tartar nach Art des Hauses und zum Abschluss das vorbestellte Châteaubriand mit Sauce Bearnaise. Und so gut und abwechslungsreich das Essen hier an Bord auch in allen Restaurants ist – das Essen heute ist für mich das Highlight der Reise.

Wir sitzen noch ein Weilchen gemütlich beisammen, ziehen uns danach aber auch in unsere Kabinen zurück – die letzten Tage dieser Reise sind dann ja doch noch mit etwas Programm ausgefüllt …

30. Dezember 2015: Seetag – auf dem Weg nach Port Elizabeth