Ein Gastbeitrag? Wieso das denn? Nun, ganz einfach – Karsten und ich hatten in Facebook einen kurzen „Kommentaraustausch“ zu meinem Artikel über das „Aktien-Bordguthaben“, das man bekommt, wenn man Aktionär von Carnival ist. Und in diesem Rahmen kam der Gedanke auf, dass er mal einen kurzen Artikel über Azamara Cruises schreibt, um uns an seinen (positiven) Erfahrungen mit dieser Reederei teilhaben zu lassen:
Und Karsten hat sein Versprechen wahr gemacht und tatsächlich den Artikel geschrieben (vielen Dank dafür!) – er ist zwar etwas länger geworden, aber deswegen nicht weniger lesenswert. Ganz im Gegenteil: ich glaube, an Azamara Cruises könnte der eine oder andere tatsächlich Gefallen finden. Mich hat das Ganze übrigens ein bisschen an die Vasco da Gama von nicko cruises erinnert – und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Azamara im kommenden Jahr mal ausprobieren werde. Doch lest selbst:
„Kurzer Hintergrund zum Autor: Geboren in Kiel, Vater bei Howaldt auf der Werft, mit Schiffen groß geworden, mehr als 35 Kreuzfahrten seit 1996. Früher oft Aida, aber auch TUI, Festival, Star Cruises, Transocean, Royal Caribbean, Celebrity, MSC und Azamara. Meist privat, aber immer wieder auch mal dienstlich, etwa auf Preview-Cruises diverser Royal-Caribbean-Neubauten, unterwegs mit Douglas Ward, an Bord und hinter den Kulissen der MS Astor oder über viele Monate hinweg auf der Meyer-Werft. Auf jeden Fall ausreichend vorbelastet, um mir zum einen oder anderen eine Meinung gebildet zu haben. Die natürlich niemand teilen muss, die ich aber gerne auch mal äußere.
Der deutsche Markt wird bekanntlich von zwei Anbietern dominiert. Beim einen empfand ich den Umgang mit der zahlenden Klientel aus vielen guten Gründen als nicht mehr akzeptabel – ganz abgesehen von erstaunlichen qualitativen Mängeln und einem Service, der oft ebenso pampig daher kam wie das Essen an durchweg klebrigen Tischen. Beim letzten Versuch mit dem konkurrierenden Anbieter wiederum war außer dem Preis nun wirklich gar nichts mehr ‚premium‘. Da stand fest: Die Flagge wird gewechselt. Dabei mochte ich die kleineren Schiffe der einen Reederei sehr gern und fand das On-Board-Produkt der anderen mal richtig gut – aber das ist beides eine andere Geschichte, vor allem aber im wahrsten Sinne des Wortes: Geschichte. Denn für den ‚deutschen‘ und den so genannten Massenmarkt bin ich mittlerweile nicht mehr zu erreichen und auch nicht mehr zu gebrauchen.
Weshalb das so ist, will ich hier erzählen. Oft stelle ich fest, dass meine Kritikpunkte zwar vielfach durchaus geteilt werden, außer weiteren Massenmarktanbietern aber nur wenige Alternativen bekannt sind – die für manch eine/n aber eine sehr überlegenswerte und bezahlbare Abwechslung oder Alternative darstellen könnten. Eine dieser hier zu Lande eher wenig bekannten Alternativen ist ‚Azamara Cruises‘ – früher mal die Premium-Marke der Royal Caribbean Group. Während der Corona-Pandemie im Komplettpaket an eine so genannte Heuschrecke, Verzeihung: an eine Investmentgesellschaft mit Sitz in New York verkauft, an Sycamore & Partners. Die haben dann gleich noch ein weiteres Schiff erworben – die ehemalige ‚Pacific Princess‘ – und die Flotte damit auf vier praktisch baugleiche Einheiten erweitert. [Die anderen der so genannten „R-Schiffe“ fahren unter der Flagge von Oceania, der Nobelmarke von NCL – und vieles, was für Azamara gilt, gilt für Oceania ganz genauso oder ähnlich – nur das Preisniveau ist meist nochmal ein anderes.]
Den ersten Punkt sammeln solche Anbieter mit ihren oftmals spannenden und abwechslungsreichen Routen, die man so nur selten findet. Viele der Destinationen könnte man mit größeren Schiffen gar nicht erst anlaufen. Weiterer Vorteil der kleinen Einheiten: Wo die großen abgelegene Industriehäfen ansteuern, fährt ein kleines Schiff bis mitten in die Altstadt. Sollte man dann doch mal einen Shuttlebus brauchen, wird der kostenfrei gestellt und fährt auch dicht getaktet – wartet also nicht, bis auch der letzte Platz gefüllt ist. Muss er auch nicht, da die Reederei nicht einen Bus anmietet, sondern, wenn es sinnvoll scheint, gleich eine ganze Flotte. Das gilt genauso für die Tender, die auch einen einzelnen Passagier an Land und zum Schiff zurück bringen. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen – alles kein Hexenwerk, aber entscheidend daran ist, dass der Urlaubswert eines jeden einzelnen Tages spürbar ansteigt: Keine Wartezeiten, keine Warteschlangen, keine überfüllten Treppenhäuser, keine reservierten Liegen, keine Schlacht am Buffet – dafür eine so geräuschlose wie effiziente und an Perfektion grenzende Organisation auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Kurz: Die Azamara-Schiffe, auf denen ich mitgefahren bin, sind die mit weitem Abstand bestgeführten, auf denen ich je war.
Das exakte Gegenteil galt übrigens einige Monate lang für Online-Auftritt und Buchungsportal, nachdem Azamara aus den Systemen der Royal Caribbean Group ausgeschieden war. Aber das ist eine andere Geschichte und lässt sich durch die Einschaltung eines Reisebüros leicht umgehen.
Azamara betreibt vier baugleiche Schiffe: die ‚Azamara Quest‘, die ‚Azamara Journey‘, die ‚Azamara Pursuit‘ und die ‚Azamara Onward‘. Sie sind 180 Meter lang und einen Tick kleiner, als es die drei kleinsten Aida-Schiffe waren – fahren aber mit nur maximal knapp 700 Passagieren. Oft sind‘s auch wesentlich weniger. Das führt automatisch zu einer ganz ausgezeichneten so genannten ‚Space-per-passenger-ratio‘. Auf Deutsch: Man hat verdammt viel Platz, steht niemals Schlange, alles geht sehr fix und man findet jederzeit, überall und ohne Suche einen Platz. In den Restaurants, und zwar innen wie außen, an den Bars, auf Pool-, Promenaden- und Sonnendeck – überall. Immer. Allein das sorgt schon für eine angenehm entspannte Bordatmosphäre ohne jeden Anflug von Hektik. Bevor ich aber zu den für mein Empfinden herausragenden Qualitäten dieser Schiffe komme, eine wertfreie Eingrenzung: Nicht jede/r wird dort wirklich glücklich werden – jeder Jeck ist schließlich anders.
Wer auf deutsche Schlager und gern Schlange steht, wer Wert auf überwiegend deutschsprachiges Publikum legt, wer mit Kindern oder Jugendlichen unterwegs ist, abends Poolparties feiern und nächtelang unter freiem Himmel an Bars versacken will [Ich liebe das und war immer einer der Letzten!] und wer vor allem auf keinen dieser Punkte verzichten will, dem würde ich Azamara eher nicht empfehlen. Und auch, wer große Megaschiffe mag, käme sich vermutlich vor wie auf einem besseren Tenderboot. Keine Wasserrutschen, keine konzertreife High-End-Pooldeck-Beschallungsanlage, keine Kartbahn, keine Lasershow, keine Videowalls, keine Eislauffläche, kein Theatrium, kein Sportkomplex, kein großangelegter Freizeit- oder Wasserpark, kein gläsernes Atrium über 10 Decks, keine Surfwelle, kein FKK-Bereich und auch kein tausende Quadratmeter großes Wellnessparadies, ob nun gegen Aufpreis oder ohne. Einfach nur ein Schiff. Je nach persönlichem Empfinden eben todlangweilig oder aber paradiesisch.
Keine Aussichtsgondeln wie bei RCI, keine schwebenden Riesenbalkone oder fliegenden Teppiche an der Bordwand wie bei der Edge-Klasse von Celebrity, kein Boardwalk, kein Central Park – sondern vier kleine, für heutige Verhältnisse fast winzige, baugleiche und auf den ersten Blick unspektakuläre Schiffe, recht hübsch anzusehen, wohlproportioniert und schon etwas älter, allerdings sehr gut in Schuß. Exklusiv für Suitengäste reservierte oder gar gesperrte Bereiche gibt es nicht – und außer einem kleinen Wellness-Spa mit Außendeckfläche und zwei Spezialitäten-Restaurants auch keine Zuzahlbereiche. Wobei die Aufpreise moderat gehalten sind. Jede/r kann unter freiem Himmel über den Bug voraus oder achtern aufs Kielwasser schauen, Liegen und Loungemöbel stehen fast überall herum. Innen kommen die Schiffe stellenweise etwas edelspießig und nicht gerade hip daher. Das Interieur orientiert sich an amerikanischen Country-Clubs. Nicht so meins – und ich wusste anfangs nicht, ob ich mich dort wohlfühlen würde. [Innen gefallen mir die Schiffe beider eingangs angesprochenen ‚deutschen‘ Anbieter besser.] Tat dann aber nicht weiter weh und war bald aus dem Sinn. Denn erst an Bord wird spürbar, was diesen Anbieter wirklich auszeichnet. Und womit er in meinen Augen einer Vielzahl an Mitbewerbern in praktisch allen für mich wesentlichen Belangen turmhoch überlegen und damit vor allem für Passagiere interessant ist, für die die Kreuzfahrt als solche im Vordergrund steht und die eher nicht permanent bespaßt werden wollen. Für Kunden, die aus dem Massenmarkt kommen, von dessen Anbietern aber aus vielen verschiedenen Gründen zunehmend entnervt sind. Für Vielfahrer, die die im Massenmarkt jedes Jahr aufs Neue wiederkehrenden 7- und 14-Tages-Routen inzwischen alle mal gefahren sind. Und für all diejenigen, denen der dafür aufgerufene Preis gemessen an der erbrachten Leistung nicht mehr gerechtfertigt erscheint.
All denen sei gesagt: There’s a better world outside.
Das dämmert einem schon beim Check-In, streng genommen schon vorher: In Miami etwa ist im Terminal ein Frühstücksbuffet oder Brunch samt Getränken aufgebaut, der Check-In ist ruck-zuck erledigt, weil immer genau so viele Schalter besetzt sind, dass es zu keinen Warteschlangen kommt. Die Bordkarte wird in einem kleinen Lederetui gereicht, das sich als ausgesprochen praktisch erwiesen hat – die ersten von fast tausend Kleinigkeiten, die man registriert, wenn man’s von woanders anders kennt. Man hat das Schiff noch gar nicht ganz betreten, schon hält man ein Glas Champagner in der Hand, wird von allen Seiten angestrahlt und bekommt glaubhaft das Gefühl vermittelt, der Crew habe nichts Besseres passieren können, als genau Dich in diesem Augenblick an Bord begrüßen zu können. Das Erstaunliche daran ist: Es bleibt so. 10, 12, 14 Tage lang. Handgepäck wird Dir auf Wunsch sofort abgenommen, zwischengelagert und später ebenso auf die Kabine gebracht wie das große Gepäck. Die Kabinen selbst, überwiegend Balkonkabinen, sind so wie das ganze Schiff: Erstmal nicht weiter aufregend, durch den inkludierten Service aber doch wieder herausragend. Room-Service etwa ist inbegriffen und die gesamte Getränke- und Speisekarte verfügbar – rund um die Uhr. Frühstück auf dem eigenen Balkon an einem Seetag – hat was. [Im Übrigen habe ich nach der ersten Azamara-Fahrt mit Balkon auf die Buchung weiterer Balkonkabinen verzichtet: Man braucht schlicht keinen – siehe oben unter dem Begriff ‚Space-per-passenger-ratio‘. Auf einer Sphinx-Klasse dagegen möchte ich an einem Seetag lieber nicht ohne eigenen Balkon fahren.] Die Getränke in der Minibar sind im Preis enthalten. Mehrmals täglich wird sie, je nach Verbrauch und individuellen Vorlieben und Wünschen neu befüllt, die Kabine selbst zweimal täglich hergerichtet, ohne dass man den Steward je bemerken würde.
Stichwort Speisen und Getränke: Im Preis enthalten ist eine Grundauswahl an alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken samt Cocktails, deutschem Bier und ziemlich guten Flaschenweinen, die keine Wünsche offenlässt. Kann man gegen einen sehr moderaten Aufpreis upgraden – wohin mit all dem Bordguthaben?! – muss es aber nicht. Ich habe bislang darauf verzichtet, weil einfach alles verfügbar war, was ich gern trinke, einschließlich feiner Kaffeespezialitäten. Das Essen, ganz gleich, in welchem Restaurant, ist das mit weitem Abstand beste, was ich auf einem Schiff je vorgesetzt bekommen habe. Das gilt fürs Haupt- genauso wie für das großartige Buffet-Restaurant mit offenem Achterdeck und auch den Pool-Grill, der auf Azamara-Schiffen weit mehr als nur ein Pool-Grill ist. Alles wird frisch zubereitet, alle Tische sind sauber und eingedeckt, das Besteck ist in Servietten eingewickelt, klirrende Besteckständer gibt es nicht. Dafür Zweier-, Vierer- und Sechser-Tische, alle Größen sind jederzeit verfügbar – man kann also auch mal in Ruhe zu zweit essen.
Die beiden Spezialitätenrestaurants, ein Steakhaus und eines mit vorwiegend italienischer Küche, liegen qualitativ nochmal einen Tick darüber. Das Servicepersonal in allen Restaurants und auch an den Bars weiß spätestens am zweiten Tag, was Du gerne trinkst, wie du heißt, wo Du herkommst und ob Du Wert auf einen Small-Talk legst und plaudern möchtest oder nicht. Unabhängig davon steht Dein Getränk meist schon da, bevor Du es bestellen konntest. Das gilt nicht nur in Bars und Restaurants: Auch auf dem Pooldeck laufen die Jungs Streife und versorgen Passagiere mit Getränken, Eis-Sorbet [in Champagner!] und allem, was die Karte hergibt – proaktiv. Wartezeit: Null. Nicht mal aufstehen muss man. Die Liegen sind bequem, breit, gepolstert und nicht von Mitreisenden „reserviert“ – wozu auch, es gibt ja genügend. Eine Station für Pool-Handtücher sucht man ebenfalls vergeblich: Auf jeder Liege liegt ein frisches und wer ein zweites, drittes oder viertes braucht, der nimmt es sich. Pfand? Deposit? Never heard! Im Gegensatz zu vielen anderen Schiffen wird das Pooldeck nicht dauerbeschallt und dient auch nicht als Spielplatz oder Showbühne, sondern tatsächlich nahezu ausschließlich als Pooldeck. [Einzige Ausnahme bildet die so genannte ‚White Night‘.] Das werden manche als langweilig empfinden – ich fand‘s wohltuend und entspannend und habe auf keinem anderen Schiff jemals annähernd so viel Zeit auf einem Pooldeck verbracht – und genossen.
Ab und zu spielt für gut 20 Minuten eine Band auf – das dann übrigens richtig gut – anschließend herrscht wieder Ruhe. Wer dem aus dem Weg gehen will, der findet auf dem leider nicht umlaufenden Promenadendeck Platz satt – in der Regel hat man’s ganz für sich allein.
Die an Bord mitreisenden Musiker und Gastkünstler liefern eine erstaunliche Qualität ab. Sängerinnen und Sänger treffen jeden Ton. Shows kommen dabei visuell bei weitem nicht so aufwendig und opulent daher wie auf neueren und großen Schiffen. Eine Showbühne oder ein Theater gibt es nicht, lediglich eine Showlounge. Das heißt: Die Möglichkeiten sind begrenzt, was den durchweg guten, teils hochklassigen Darbietungen aber nicht schadet. Wie jeder der öffentlichen Bereiche verfügt auch die Showlounge über eine eigene Bar. Im Übrigen auch sehr schön: vorm Essen erstmal gepflegt einen Aperitif zu heben.
Kapitän und Offiziere sind freundlich, nahbar und präsent, auf der ‚Azamara Quest‘ hat der Kapitän jeden einzelnen Passagier persönlich und viele per Handschlag verabschiedet. Nicht nur am Ende der Reise, sondern täglich. [Hat der morgens eigentlich sonst nichts zu tun?]
Es sind unzählige solcher Kleinigkeiten, die eine Azamara-Kreuzfahrt gemessen an vielen anderen so stressfrei, entspannt und erholsam machen. Überall gibt’s noch ein paar kleine Goodies on top, leckere Häppchen, ein paar Extras, eine Strandtasche, gekühlte Getränke und Erfrischungstücher beim Boarding, was auch immer: Wo man hinsieht, steckt Liebe im Detail – und seien es die handgerollten Baumwoll-Handtücher in den öffentlichen WC-Bereichen, fein säuberlich neben jedem Waschbecken in Körbchen zu kleinen Pyramiden aufgestapelt. [Die handelsüblichen aus dem Papierhandtuchspender gibt‘s auch – jeder, wie er mag.]
Neben der überragenden Service-Qualität, dem ausgezeichneten Essen, der freundlichen und aufmerksamen Crew und dem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis – ich komme noch darauf zu sprechen – gibt es auf jeder Kreuzfahrt drei Pflichttermine, die viel über Azamara aussagen.
Einer ist der Brunch an einem Seetag. Ich habe auf Schiffen viel gesehen – sowas noch nicht. Was da an Arbeit und Herzblut drinsteckt, verschlägt einem die Sprache – zumal die Schiffe bauseitig für solch eine Veranstaltung gar nicht ausgelegt sind. Nur so viel: Man steht da, die Kinnlade klappt runter und man möchte spontan die ganze Crew umarmen. Großartig.
Zweite Pflichtveranstaltung ist die so genannte ‚White Night‘. Ich war ausgesprochen skeptisch und habe gehofft, dass mich dort niemand erkennt und ich einen Ausgang finde, wenn‘s zu viel des Fremdschämens wird. Die Skepsis war unbegründet. Was die Crews da auf die Pooldecks zaubern, lässt sich kaum in Worte fassen. Fantastisch und absolut einmalig, habe ich in der Kreuzfahrtindustrie nirgends jemals so erlebt. Sagenhaft. Was diese Abende zusätzlich bereichert, ist das lockere, dabei aber angenehm kultivierte Publikum. Überhaupt geht es an Bord niemals steif zu, die Atmosphäre ist entspannt, kein Dress-Code, keine formellen Abende – aber eben auch kein Niveau-Limbo samt Adiletten, Badehose und verschwitztem Muscleshirt im Restaurant. Kein Mensch würde hier je auf die Idee kommen, sich eine halbe Stunde vor Restaurantöffnung im Treppenhaus aufzureihen, um als erster ans Buffet zu stürmen und die besten Plätze zu ergattern. Keiner käme auf den Gedanken, das Deck [und damit Mitreisende] oder den eigenen Balkon [und damit auch die Nachbarbalkone] mit einem Ghettoblaster zu beschallen. Stattdessen bin ich vielen spannenden Menschen begegnet, Altersklasse vorwiegend 40 bis 70, viele Paare, aber nicht nur. Eine Handvoll kam jeweils aus dem deutschsprachigen Raum, eine weitere Handvoll aus anderen EU-Staaten und der Schweiz, überwiegend aber Briten, Australier, Kanadier und Amerikaner. Die allesamt keinem der gängigen Klischees entsprachen, mit denen man sich gern angeregt auseinandersetzt, gern mal einen hebt, sich gern ein Schiff mit ihnen teilt und den Kontakt nach der Reise gern aufrechterhält und pflegt.
Dritte Pflichtveranstaltung ist die sogenannte ‚AzAmazing Night‘. Die läuft im Grunde etwa so ab:
Azamara mietet eine ausgefallene Location an, lädt dort alle Passagiere zu einer Veranstaltung ein, bringt sie hin, bewirtet sie mit Finger-Food und Getränken – und bringt sie später wieder zurück zum Schiff. So finde ich mich eines Abends auf dem Spielfeld im Baseball-Stadion von Bridgetown auf Barbados wieder – umgeben von einer rasanten Show. Vergesse ich nie. Ein andermal sitzt man bei Sonnenuntergang im Theater des antiken Ephesus und lauscht dem ergreifenden, hochpolitischen Konzert einer Gruppe, die schon für den Friedensnobelpreis nominiert war. ‚Unity in Diversity‘ – wenn das der türkische Präsident wüsste! Ganz gleich, was Azamara an diesen Abenden veranstaltet: Es schafft Gänsehaut und bleibende Erinnerungen. Once in a Lifetime. Alles inklusive.
Wer zurück an Bord noch nicht genug hat, wechselt in den so genannten ‚Living Room‘: Eine äußerst ansprechend gestaltete Lounge über der Brücke mit 270-Grad-Rundumblick, Tanzfläche, Bar, Sitzgruppen an Steh- und Cocktailtischen und einer feinen Theke, an der so lange Tapas, Canapès, Mini-Burger, Sandwiches und andere kleine Happen angeboten werden, wie Gäste anwesend sind. Und das sind sie meist bis tief in die Nacht. Ebenso lange wird nach den Live-Bands Musik aufgelegt und dabei jeder Gästewunsch erfüllt. Gäste übrigens, die für ihre Altersklasse – verdammt, ich gehör‘ ja längst dazu! – verblüffend gut abgehen. Respekt.
Zählt Azamara nun zum Luxus-Segment? Nein.
Azamara bietet ein sehr gutes, sehr durchdachtes und perfekt ausgereiftes, exakt aufs Publikum abgestimmtes Produkt an, den Begriff ‚Premium‘ kann man hier ohne Einschränkung gelten lassen. Nicht wegen der Schiffe als solcher, nicht wegen der Ausstattung der Kabinen, nicht wegen der engen Bäder in den Kategorien unterhalb der Suiten, nicht wegen des Duschvorhangs, nicht wegen des stellenweise doch arg konservativen Designs der öffentlichen Bereiche. Premium sind die Platzverhältnisse, die herausragende Qualität in allen Bereichen, die fantastische Crew – der man im Übrigen deutlich anmerkt, dass sie vom Arbeitgeber gut behandelt wird – und der durch all diese Feinheiten enorm gesteigerte Urlaubswert. Vier Sterne mit Tendenz zu Vier Sternen Plus von meiner Seite, bestens geeignet für alle, denen die Kreuzfahrt als solche, die Route, die Organisation der Abläufe an Bord, die Qualität von Service und Verpflegung wichtiger sind als Halligalli und möglichst viele spektakuläre Unterhaltungsangebote. Und jede/r weiß für sich selbst am besten, was er/sie von einer Kreuzfahrt erwartet und worauf er oder sie den größten Wert legt.
Stellt sich denen, die bis hier gelesen haben, die entscheidende Frage: Ist Azamara bezahlbar?
Klares Ja. Meine bisherigen Azamara-Kreuzfahrten waren allesamt um einen vierstelligen Betrag günstiger als vergleichbare Angebote deutscher Anbieter, also Touren in derselben Kabinenkategorie, zur gleichen Zeit im gleichen Fahrtgebiet. Obendrein gab es zu jeder Reise ein vierstelliges Dollar-Bordguthaben zur freien Verfügung obendrauf. Ich hatte also abgesehen von ein paar Mietwagen praktisch keine Zusatzkosten. Dazu gab es die interessanteren Routen. Apropos Zusatzkosten: Die Internet-Pakete sind günstig und das Internet an Bord – Starlink – funktioniert schnell und zuverlässig. Ausflüge sind wie überall zu teuer, aber mit 1.200 Dollar Bordguthaben kann man auch mal einen mutmaßlich überteuerten Ausflug buchen – ist ja trotzdem irgendwie geschenkt. Die Routen sind grundsätzlich so geplant, dass man anderen gern aus dem Wege geht, die angelaufenen Häfen also nicht überlaufen sind. Das hat bis hierher an jedem einzelnen Tag tatsächlich geklappt – man hat also selten bis nie die Situation, auf einer Insel aufzuschlagen, auf der schon 20.000 andere Kreuzfahrttouristen unterwegs sind.
Zwei Anmerkungen noch: Wichtig ist, wo man bucht. In Deutschland ist Azamara spürbar teurer als bei einer Buchung bspw. in den USA. Zweite Anmerkung: Die Mitgliedschaft im so genannten ‚Azamara Circle‘ – das ist das Bonusprogramm für Wiederholungstäter – macht sich auf der Stelle bezahlt, und zwar schon am allerersten Tag: Rabatte auf Internet-Pakete, Freiminuten, inkludierter Wäscheservice [Eine kleine Do-it-yourself-Wäscherei für Passagiere gibt es auch, geöffnet 24/7], spürbare Nachlässe auf Getränkepakete, Spa-Angebote und vieles mehr. Allein die Mitgliedschaft im ‚Azamara Circle‘ reicht schon vor Antritt der ersten Reise für die erste Statusstufe und entsprechende Vergünstigungen, die teils deutlich über die vergleichbarer Kundenbindungsprogramme hinausreichen. Sehr schnell gibt’s dann auch Preisnachlässe in Form nicht berechneter Tage/ Nächte, was die Reisen nochmals günstiger werden lässt.
Zur Preispolitik: Sinkt der Preis einer Azamara-Kreuzfahrt vor Reiseantritt, wird er ohne Diskussion angepasst. Ist das ‚final payment‘ bereits geleistet, wird die Differenz als Bordguthaben gutgeschrieben. Eine, wie ich finde, faire und für amerikanische Reedereien nicht untypische Regelung: So zahlen am Ende alle denselben Preis. Ich habe häufig miterlebt, wie Frühbuchern und extrem loyalen Kunden eines deutschen Anbieters die Laune dadurch getrübt wurde, dass Mitreisende dieselbe Reise in einer besseren [!] Kabinenkategorie für einen Bruchteil des Preises ergattert hatten. Frühbucher, die lange auf eine solche Reise gespart hatten, fühlten sich da nicht fair behandelt, selbst ultraloyale Stammkundschaft war zuweilen schwer verärgert. Singles und Alleinreisende zahlen bei Azamara nicht automatisch 100% Einzelbenutzungszuschlag, sondern auf zahlreichen ausgewählten Reisen lediglich 25% bis maximal 50%.
Im Falle einer Buchungsänderung werden pauschal 150 Dollar fällig. [Mir wurden diese 150 Dollar übrigens bei der nächsten Buchung als Bordguthaben gutgeschrieben, ohne dass ich darum gebeten hatte.] Niemand diskutiert über den Reisezuschnitt oder verlangt im Falle einer Reservierungsänderung die Buchung einer höherwertigen Reise. Eine verweigerte Preisanpassung kenne ich nur von deutschen Reedereien. Die Worte „Das geht nicht, weil…“ habe ich weder von Royal Caribbean, noch von Celebrity oder Azamara je gehört.
Konkrete Preis- und Vergleichsbeispiele:
10 Nächte im Dezember mit Azamara durch die Karibik, inklusive An- und Abreise mit KLM ab München und zwei Übernachtungen im Vier-Sterne-Plus Hotel Downtown Miami mit allem Drum & Dran: Umgerechnet 3.400 Euro für 2 Personen in der Außenkabine. Davon kostet die Cruise inklusive aller Steuern und Gebühren 2.447 US-Dollar. Das sind 2.300 Euro. Tagespreis pro Person: 115 Euro. Inkludiertes Bordguthaben: 1.100 USD. Anderes Beispiel: 8 Tage Adria im August, ebenfalls in der Außenkabine für zwei Erwachsene – inklusive Anreise nach Venedig und Rückflug ab Rom umgerechnet knapp 3.100 Euro, inkludiertes Bordguthaben 1.150 USD. Trinkgelder sind übrigens bereits im Preis enthalten. [Man geht trotzdem nicht von Bord, ohne dem einen oder anderen noch eins zu geben.]
Bei Aida läge ich, Stand heute, für 7 Tage mit An- und Abreisepaket bei vergleichbarem Leistungsumfang, aber ohne Bordguthaben bei 4.500 Euro. Kein Einzelfall. Erstaunlicherweise liegen die Standard-Tagespreise außerhalb von Sonder- und Rabattaktionen sowohl bei TUI, als auch bei AIDA [Premium oder, soweit verfügbar, Vario AI entspräche hier am ehesten dem Leistungsumfang] oftmals deutlich höher. Nun ist auch ein Schiff absolute Geschmacksache und nicht jeder, der es ansonsten mit TUI oder AIDA hält, würde sich auf einem der Azamara-Schiffe wohlfühlen. Wer aber ähnliche Prioritäten setzt wie oben beschrieben und ohne Kinder unterwegs ist, dem sei wärmstens empfohlen, sich auch mal woanders umzusehen – es lohnt sich.
Sicher gibt es ähnlich gute oder auch bessere Premium-Produkte von anderen Anbietern, die über eine zumindest in Teilen schickere und modernere Flotte verfügen, etwa Oceania, Seabourn, Hapag Lloyd, Silversea und einige andere mehr. Keiner dieser Premium-Anbieter spielt aber preislich regelmäßig in einer Liga mit den Anbietern vom Massenmarkt. Auch für eine Azamara-Kreuzfahrt kann man elend viel Geld ausgeben – man muss es aber nicht. Die Woche gibt‘s auch mal außerhalb von Sonderaktionen für 1200 Euro, vier Tage für ein paar Hunderter – und die Preise schwanken ständig. In beide Richtungen. Vielleicht einfach mal ausprobieren. Oder wie sie bei Azamara sagen: Change The Way You Sea!“