Über Nacht hat sich das mit dem Seegang dann wohl etwas beruhigt, zumindest haben wir in unserer Kabine nichts mehr davon gemerkt, bis wir dann morgens irgendwann aufgewacht sind.

Und für heute sind noch einmal zwei Highlights unserer Reise vorgesehen – den Vormittag verbringen wir in Ilulissat am Eisfjord und den Nachmittag mit einer Zodiac-Cruise vor den riesigen Eisbergen, die sich aus dem Fjord schieben.

Natürlich beginnt auch der heutige Tag mit einem kleinen Frühstück im Club bevor wir uns auf den Weg an Land machen. Eigentlich war geplant, dass die MS Bremen an der Pier in Ilulissat anlegt; dies ist aufgrund der Eismengen im Hafen jedoch nicht möglich gewesen, so dass wir auch heute wieder mit den Zodiacs an Land fahren – da es dort jedoch einen Steg gibt, handelt es sich zur Abwechslung mal wieder um eine trockene Anlandung.

Und das ist auch gut so – da heute ja eine kleine Wanderung zum Eisfjord ansteht, sind die Wanderschuhe auch das geeignetere Schuhwerk als es die Gummistiefel wären.

Birga und Arndt haben uns bereits verlassen – sie sind mit dem ersten Zodiac an Land gefahren, da sie einen Hubschrauberflug über dem Eisfjord gebucht haben – und der startet gleich morgens. Sechzehn Personen passen in den Heli von Air Greenland – leider hat aber wohl nicht jeder einen Fensterplatz bekommen (das würde mich dann schon ärgern – insbesondere, da dies im Vorfeld zugesichert wurde und der Preis, den Hapag Lloyd dafür aufruft, ja nun auch nicht unbedingt als „Schnäppchen“ zu bezeichnen ist).

Für alle anderen besteht jetzt die Möglichkeit, die Zeit in Ilulissat individuell zu verbringen, wobei die meisten auf das Angebot, mit einem bereitstehenden Shuttlebus zum „alten Heli-Port“ zu fahren, um von dort eine Wanderung zum Eisfjord zu unternehmen, eingehen.

So machen auch wir das – und etwa 15 Minuten später stehen wir bereits am Startpunkt unserer Wanderung. OK, „Wanderung“ ist vielleicht etwas übertrieben, „längerer Spaziergang“ trifft es wohl eher. Über einen Holzsteg geht es etwa zwei Kilometer zum Eisfjord – und das ist dann auch berechtigterweise ein Weltkulturerbe.

Der Fjord, der sich aus dem Eis eines Gletschers speist und aufgrund seiner Lage ganzjährig mit Eis gefüllt ist, hat eine Länge von etwa 70 km; der größte Eisberg ist bis zu 2 km breit und bis zu 120 m hoch. Die Gesamtmenge des Eis im Fjord (knapp 50 km3) würde ausreichen, um die gesamt USA ein Jahr lang (!) mit Wasser zu versorgen.

Am Ende des Stegs angekommen, besteht dann noch die Möglichkeit, auf zwei kleine Berggipfel zu steigen (das ist dann jetzt wiederum etwas mehr als eine „Wanderung“) – von hier aus hat man einen überwältigenden Blick auf die Eismassen, die sich im Fjord erstrecken. Hier könnte ich mich jetzt stundenlang auf einen Felsen setzen und nur aufs Eis gucken. Einfach nur Wahnsinn!

Aber es nützt ja alles nichts – das letzte Zodiac fährt um 13.00 Uhr. Und vorher müssen wir noch mit dem Shuttlebus zurück zum Hafen. Von daher muss ich mich dann irgendwann doch vom Fjord losreißen und mich auf den Weg zurück zum alten Heliport machen. Und natürlich fährt mir der Shuttlebus da direkt vor der Nase weg 🙁

Also heißt es jetzt noch mal gut 20 Minuten warten, bis der nächste Bus kommt. Klingt nicht so dramatisch, ist aber trotzdem blöd. Denn zum einen nieselt es immer noch leicht, zum anderen haben die ortsansässigen Mücken (die mit Stachel) entschieden, uns als Beute anzusehen. Und so surrt es unablässig um unsere Köpfe herum und ab und zu lässt sich eines der Tierchen dann auch irgendwo im Gesicht nieder (andere Körperteile liegen ja nicht im Freien). Wer sich dann nicht rechtzeitig selbst eine Ohrfeige gibt, hat verloren.

Glücklicherweise habe ich von den ersten Tagen der Kreuzfahrt noch mein Autan-Fläschchen im Rucksack – und werde so kurzzeitig zum Held der Bushaltestelle. Denn das Zeug nützt wirklich was 🙂

Zurück am Hafen geht es dann auch gleich mit dem Zodiac aufs Schiff – und von dort weiter zu unserem nachmittäglichen Ziel. Und zwar wieder der Eisfjord, dieses Mal aber von der Wasserseite aus gesehen. Und damit wir da auch richtig was sehen können, machen wir eine etwa einstündige „Zodiac-Cruise“, d.h. eine Rundfahrt mit den Zodiacs um die riesigen Eisberge.

Zuvor müssen wir aber noch dorthin fahren – und das ist die Gelegenheit für einen kleinen Lunch im Club.

Kurz darauf geht es allerdings schon los. Und was soll ich sagen – das ist einfach nur der Wahnsinn (ich wiederhole mich gerade). Wir sehen die riesigen Eisberge aus nächster Nähe, jeder sieht anders aus, ist anders geformt. Und einer schöner als der andere. Und als ob das noch nicht reichen würde, hat sich inzwischen auch das Wetter gebessert und der Himmel reißt sukzessive immer weiter auf, blauer Himmel und Sonnenschein kommen mehr und mehr zum Vorschein.

Kann es noch etwas Schöneres geben? Ja, kann es …

Wenn unerwartet zwischen unseren Zodiacs ein weiteres auftaucht, auf dem der Hoteldirektor mit ein paar Flaschen Champagner steht. Und dann im Zodiac, inmitten von Eisbergen ein Gläschen Champagner gereicht wird – dann hat das schon etwas. Man könnte das auch dekadent nennen … und naja, so ganz falsch wäre das nicht. Aber schön ist es trotzdem – und es wird einer der Momente sein, an die man sich im Nachhinein erinnern wird.

Aber irgendwann sind auch 60 Minuten vorbei und wir müssen zurück zum Schiff – da warten nämlich noch einmal so viele Leute auf ihre Rundfahrt. Und so nutze ich dann das halbleere Schiff, um ein Stückchen Apfelkuchen vom Blech zu essen und mich danach in der Sauna erst einmal richtig aufzuwärmen. Denn trotz langer Unterwäsche, Skihose, Norwegerpulli, Anorak, Multifunktionstuch und Handschuhen wird es bei gut 2°C halt trotzdem irgendwann mal frisch auf dem Zodiac – insbesondere, wenn man die letzten zehn Minuten mit voller Geschwindigkeit zurück zum Schiff fährt.

Und dann ist erst mal etwas Freizeit angesagt. Naja, nicht ganz – Fotos angucken, löschen und sortieren steht an. Bei über 1.000 Fotos auf dieser Reise gibt’s da schon noch etwas Nachholbedarf … Zwischendurch unterbricht ein Finnwal meine Arbeit; aber irgendwie bin ich immer zu langsam auf dem Auslöser – oder der Wal zu schnell. Zumindest gibt’s kein Foto.

Irgendwann sind auch die anderen wieder an Bord und wir setzen unsere Fahrt fort – knapp 190 Seemeilen liegen bis morgen früh vor uns. Inzwischen werden wir beim Abendessen gefordert: heute ist das „Kapitäns-Abschieds-Dinner“ – und die Kleiderempfehlung lautet „elegant“. Also muss heute erneut ein Hemd und ein Jackett herhalten. Aber gut, was tut man nicht alles, dass der Kapitän sich freut 😉

Dafür hat er (oder besser gesagt, das Küchenteam) sich auch die größte Mühe gegeben, uns etwas zu bieten. Und das sieht so aus:

Vorspeisen

  • Shrimps-Cocktail mit Cognac auf Salat-Chiffonade, Knusperbrot und Limettenecke
  • Tatar und Carpaccio vom Kalbsfilet mit Himbeervinaigrette und kleinem Brioche
  • Cocktail vom Apfel mit Calvados

Suppe

  • Steinpilzcreme mit Sahnehaube
  • Doppelt geklärte Ochsenschwanzsuppe mit Dubonnet und Won Ton Säckchen

Zwischengericht

  • Seezungenröllchen mit Keta-Kaviar

Sorbet

  • Champagner

Hauptgerichte

  • Gratiniertes Hummerfleisch mit Butterschaumsauce, jungem Lauch und Kürbisrisotto
  • Tranche vom rosa Rinderfilet mit gebratener Gänseleberscheibe, feinem Gemüse und Kartoffelkrapfen
  • Ragout von der Rehkeule in Pfeffersauce mit cremiger Schwarzwurzel und hausgemachter Trüffelkrokette
  • Hülsenfrüchte-Falafel mit Curry Dip auf lauwarmem Linsensalat

Dessert

  • Gebackenes Vanilleeis auf Waldbeeren
  • Weißes Schokoladenmousse im Bisquitmantel mit Honig, Mandel und Amaretto-Sauce
  • Internationale Käseauswahl und frische Früchte vom Buffet

Lecker? Lecker!

Aber natürlich sieht so ein Kapitän-Abschiedsabend noch mehr vor als Essen – im Club unterhält uns im Anschluss der „MS Bremen Shanty Chor“ mit verschiedenen Seemannsliedern, während unser Kapitän die Reise noch einmal Revue passieren lässt. Eine tolle Reise von knapp 7.000 km (das entspricht der Strecke von Flensburg bis in den Oman) bei bestem Wetter, einem neuen Rekord und einer genau passenden Eissituation zur richtigen Zeit – zwei Tage früher wären wir nicht nach Norden gekommen, zwei Tage später nicht mehr in Süden. Punktlandung.

Knapp daneben liege ich allerdings mit meinem Los, als es um die Verlosung der Seekarte geht – 398 wird gezogen, 395 liegt vor mir. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Und auch Birga, die üblicherweise bei diesen Verlosungen abräumt, ist das Glück heute nicht wirklich hold. Schade.

Auf der rechten Seite können wir parallel dazu übrigens heute nach langer Zeit mal wieder einen Sonnenuntergang beobachten – und den auch noch in den schönsten Farben bei klarem Himmel. Mit etwas Glück wird auch unser letzter Tag morgen ein richtig guter Tag …

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