Wir befinden uns auf dem Weg nach Southampton – und da das auf der Nordsee nicht so ungewöhnlich ist, haben wir auch heute Wind und Wetter. Und Seegang. Also eine weitere Gelegenheit, das Schiff auf seine Ganzjahrestauglichkeit zu testen. Doch zunächst beginne ich mal mit einem Espresso in meiner Kabine – der Wintergarten lässt sich temperaturbedingt leider nicht wirklich nutzen. Das scheint also irgendwie eine Fehlplanung zu sein … oder es ist technisch aufgrund der nicht dicht schließenden Glastüren zur Veranda in der Tat nicht anders zu lösen – dann schränkt es die Tauglichkeit als „Ganzjahreskabine“ deutlich ein. Nicht unbedingt, weil die Kabine schlecht wäre – wenn der Wintergarten aber bei kühler Witterung nicht nutzbar ist, ist das Alleinstellungsmerkmal der Lanaikabine kein wirkliches Argument mehr für den Aufpreis.
Ich mache noch mal einen Abstecher ins Bad und bin nach wie vor positiv überrascht – nämlich darüber, dass man die auf den anderen Schiffen eingeführten Perlatoren in den Wasserhähnen hier nicht eingebaut hat. Und man somit durchaus erfolgreich den Rasierschaum vom Pinsel und die Zahnpastareste von der Bürste entfernen kann … das ist mit den vielen feinen Wasserrinnsalen auf den anderen Schiffen ja nicht mehr wirklich machbar (ging das eigentlich nur mir so – ich habe dazu nie wirklich etwas gelesen …?)
Für das Frühstück wähle ich heute erneut das „Frech Kiss“ aus – hier findet aktuell das Frühstück für die Clubmitglieder der Stufe „Gold“ statt. Und hier ist auch alles wie sonst vom Buffalo gewohnt. Obwohl – nicht ganz. Es gibt kein Minutensteak mehr – und der O-Saft ist nicht frisch gepresst, sondern die auch in den Buffetrestaurants verwendete Wassermischung, der man gelegentlich ein paar Tropfen Orangensaft hinzugefügt hat. Auf das Nachschenken verzichte ich dankend.
Das Wetter wird tendenziell eher schlechter als besser. Wenn es nicht regnet, dann ist es zumindest windig. Und kalt. Also wie gemacht für einen Tag im Organic Spa. Glücklicherweise habe ich bereits zu Hause für die beiden Seetage dieser Reise jeweils eine Tageskarte erstanden, so dass es mir erspart bleibt, mich an der Spa Rezeption darüber aufzuregen, dass ich keine Karte mehr bekommen kann. Da bin ich ja echt mal gespannt, wie sich das einspielt.
Ich mache also ein paar Saunagänge, nehme den einen oder anderen Aufguss (mit übrigens maximal zehn Personen) mit, ärgere mich über die Duschen, die noch nicht so richtig funktionieren und freue mich, dass die beiden Whirlpools auf dem Saunaaußendeck mal nicht gesperrt sind. Warum man diese jetzt nicht noch richtig aufheizt, sei einmal dahingestellt. Und da das Wetter nach wie vor ungemütlich ist, ist auch niemand auf den Balkonen über uns, der sich über unbekleidete Whirlpoolnutzer beschweren könnte.
Bis zum Mittagessen (½ Hähnchen im Brauhaus) bleibe ich jetzt hier, lese ein bisschen und stelle fest, dass es sich zumindest in den Ruhebereichen gut gefüllt hat. Auf jeder Liege liegt jemand – oder zumindest ein Handtuch. Und wenn zusätzlich auch noch etwas Persönliches auf dem Handtuch liegt, wird es von den Mitarbeitern auch nicht abgeräumt. Was zur Folge hat, dass zur Mittagszeit 90% der Liegen mit Handtüchern und wahlweise einem Buch oder einer Sonnenbrille bewohnt sind. Auch da wird man ggf. noch nachbessern müssen – zumindest solange die Zahl der ausgegebenen Karten die Zahl der Liegen übersteigt.
Vielleicht kann man da auch mal das Thema „RFID“ ins Spiel bringen. Auf der AIDAprima sind ja alle Bordkarten mit entsprechenden Funkchips ausgestattet und demnächst wird es optional auch RFID-Armbänder geben, die an Bord die Bordkarte ersetzen können. Damit wird es dann möglich sein, die Kabinentür zu öffnen, Getränke zu bezahlen, die Schließfächer im Saunabereich zu nutzen oder sich am Bordportal an den vielen Bildschirmen an Bord anzumelden – und warum nicht auch, um sich eine Liege zu reservieren? Diese würde dann für zwanzig Minuten „gesperrt“ (mit einer roten LED-Anzeige) und danach wieder freigegeben (mit einer grünen LED-Anzeige) – unabhängig davon, ob da jetzt ein Handtuch draufliegt oder nicht. Und da hier an Bord ja jede einzelne Stoffserviette und jedes Handtuch mit RFID-Chips gekennzeichnet ist (und damit automatisch gewaschen und sortiert werden kann), käme es auf das bisschen Technik an den Liegen ja auch nicht mehr an …
Doch berichten wir noch mal von etwas Positivem: Hygiene. Dass intern die Hygienestandards bei AIDA auf einem hohen Niveau angesiedelt sind, kann man ja an den regelmäßigen positiven Testberichten der amerikanischen Behörden feststellen, die die Schiffe vor dem Erreichen amerikanischer Hoheitsgebiete untersuchen. Und das setzt sich auf der AIDAprima konsequent fort und ist auch im Passagierbereich deutlich fortgeschritten. So befinden sich jetzt vor allen Restaurants nicht nur fest installierte Desinfektionsspender sondern auch Waschbecken mit Seifenspendern und Papierhandtüchern. Die Ausrede „Ich vertrage das Desinfektionsmittel nicht“ zieht jetzt also nicht mehr. Und Händewaschen vor dem Essen sollte einem einigermaßen gebildeten Mitteleuropäer doch eigentlich geläufig sein, oder?
Meine Erfahrung ist dabei aber leider ernüchternd: ich habe bislang noch niemanden gesehen, der sich die Hände gewaschen hat und nur ganz wenige, die die Desinfektionsspender vor dem Restaurantbesuch genutzt haben. Da waren die Ständer, die vor den Restauranteingängen „im Weg“ standen, deutlich effektiver. Aber es geht noch weiter: ein Junge, der sich die Hände waschen wollte, wurde von seinen Eltern mit den Worten „Das brauchen wir nicht.“ davon abgehalten und ins Restaurant geschoben. Und da fällt mir dann tatsächlich nichts mehr ein …
Im Gegensatz dazu funktioniert jedoch das hier: auf AIDAprima ist es jetzt nämlich möglich, die öffentlichen Toiletten praktisch berührungsfrei zu benutzen. Die Türen öffnen mittels Handsensor, die Wasserhähne arbeiten ebenfalls sensorgesteuert wie auch die Seifenspender automatisch ihrer Aufgabe nachkommen. Das Trocknen der Hände geschieht in Handtrocknern, die mit Kaltluft arbeiten (und damit aktuellen Untersuchungen zu Folge nicht zur Bakterienvermehrung beitragen sollen) und das Öffnen der Tür zum Verlassen erfolgt ebenfalls mittels Sensorsteuerung (TUI geht dabei übrigens noch einen Schritt weiter und hat den Türöffner bei einigen Toiletten in den Desinfektionsspender eingebaut: nur wenn man die Hände da rein hält, öffnet sich die Tür).
Inzwischen ist Kaffeezeit auf AIDAprima. Und während auf den anderen Schiffen die Massen zwischen 15.30 Uhr und 16.30 Uhr ins Weite Welt Restaurant stürmen, bekommt man das hier eigentlich gar nicht so richtig mit. Denn die Kaffeezeit geht hier von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr und findet zusätzlich auch an vielen Bars statt. Lediglich im Fuego Restaurant ist ein größeres Kuchenbuffet vorhanden – an den meisten Bars an Bord stehen Platten mit Muffins, kleinen Kuchenstücken und ähnlichem bereit. Finde ich eine gute Lösung.
Ich nehme mir einen Muffin im Vorbeigehen (das ist jetzt natürlich auch die „Gefahr“) und gehe zu den Fahrstühlen, um auf Deck 15 in den Beach Club zu fahren. Und dazu muss ich dann jetzt doch mal was sagen. Ich weiß nicht, ob es damit zusammenhängt, dass die Aufzüge von Hyundai gebaut wurden – zumindest die Softwaresteuerung braucht dringend ein Update. Oder die Programmierung. Oder beides. Denn das, was man hier erlebt, geht so gar nicht. Wartezeiten von 10 Minuten und mehr, bis man Platz in einem Fahrstuhl findet, sind nicht ungewöhnlich.
Woran liegt das? Nun, es scheint so zu sein, als ob hier jeder Aufzug „für sich“ fährt, also keine Kenntnis davon hat, was die anderen so machen. Das merkt man daran, dass beim Drücken auf einen Rufknopf nur dieser eine leuchtet und die anderen nicht. Dieser bleibt auch beleuchtet, wenn ein Aufzug auf der gegenüberliegenden Seite anhält (weil zum Beispiel jemand aussteigen will). Das hat zur Folge, dass jeder immer alle Knöpfe drückt, obwohl ja jeder nur einen Aufzug braucht. Und es kommen dann auch alle nach einander – die meisten halt umsonst. Damit verbunden hält praktisch jeder Aufzug auf jeder Etage – und zu 75% ohne dass jemand ein- oder aussteigen will.
Zweites Problem: dadurch, dass die Aufzüge meistens voll sind, steigt jeder in jeden Aufzug ein, in dem etwas Platz ist – egal ob dieser hoch oder runter fährt (frei nach dem Motto: am Ende wechselt er ja die Richtung). Folge dieses Herangehens ist dann natürlich, dass mehr als die Hälfte der Aufzüge randvoll sind – obwohl die meisten vielleicht gar nicht in die aktuell gefahrene Richtung wollen.
Hier ist also noch maßgeblich etwas zu tun – und auch die Tatsache, dass tendenziell mindestens ein bis zwei Aufzüge „Out of Service“ sind, sollte kein Langfrist-Lösung sein … hier gibt es also in der Tat noch einiges zu tun.
An die Ansagen im Aufzug „Deck 7. Die Türen sind geöffnet. Die Türen schließen. Der Aufzug fährt nach oben.“ gewöhnt man sich übrigens mit der Zeit – und für sehbehinderte oder blinde Passagiere sind sie sicherlich sehr hilfreich (auch wenn die Ansagen von manchen Sehenden als lästig empfunden werden). Ich finde es gut, dass AIDA hier konsequent den Schritt zu einem weitgehenden barrierefreien Schiff gegangen ist (zumindest soweit es mir möglich ist, das zu beurteilen).
Einen Vorteil hat das mit den Aufzügen aber doch: man entscheidet sich schneller für das Treppensteigen. Und so laufe ich jetzt nach rund fünf Minuten im Aufzugsvorraum über das Treppenhaus. Und komme auch irgendwann an – verbunden mit der Erkenntnis, dass ich unbedingt den Sportbereich auf dem Schiff mal in meine Tagesplanung aufnehmen sollte.
Ich setze mich an die AIDA Bar, bin froh, dass ich nur Shorts und Flip-Flops angezogen habe und genieße das karibische Feeling. Wie es andere Leute hier mit Schal und Wintermantel aushalten, ist mir dafür ein Rätsel.
Interessant ist übrigens auch, dass AIDA sich auf der AIDAprima wieder vom Pfand für die Poolhandtücher verabschiedet hat. Diese liegen in allen Poolbereichen frei aus und es finden sich an vielen Stellen auf dem Schiff entsprechende Rückgabemöglichkeiten. Wer eins braucht, nimmt sich also eins und wirft es danach einfach in einen der Rückgabebehälter. Hoffen wir einmal, dass das System so bestehen bleiben kann und nicht zu viele der Handtücher den Weg in die Koffer finden (wobei das technisch über die eingenähten RFID-Chips ja sogar verhindert werden könnte – ich bin mir allerdings nicht sicher, ob AIDA diesen Weg gehen will).
Inzwischen wird es übrigens schon Zeit für das Abendessen. Ich gehe also an meiner Kabine vorbei, ziehe mich ein bisschen schicker an (wechsele also Shorts mit Jeans und Flip-Flops mit festen Schuhen) und mache ich auf den Weg ins French Kiss. Hier hatte ich gestern für heute um 18.30 Uhr reserviert. Ich bin mal gespannt, wie sich das neue Servicerestaurant an Bord so schlägt.
Und kurzum: ich bin begeistert. Das (im Reisepreis inkludierte) Essen ist qualitativ auf höchstem Niveau und auch der Service ist einwandfrei gewesen. Von mir gibt’s daher die volle Punktzahl. Gegessen habe ich übrigens das Tartare de bœef du chef (Beef-Tatar nach Art des Chefs), eine Bouillabaisse à la provençale (Fischeintopf mit Meeresfrüchten, Kartoffeln und Crôutons), einen Salade niçoise (Blattsalat mit Thunfisch und Zwiebeln), Côtelettes d’agneau à la parisienne (Lammkoteletts nach Pariser Art) sowie eine Crème brulée zum Dessert und zum Abschluss eine Käseauswahl mit Feigensenf und Trauben. Und ganz ehrlich – das war auf dem Niveau des „Tarragon“ auf der Europa 2.
Pappsatt mache ich mich auf den Weg ins Theatrium, nehme dort noch einen „Long Island Icetea“ zum Verdauen und schaue mir den Rest der abendlichen Show an. Schön ist im Übrigen, dass die Sitzbänke auf Deck 6 jetzt mit Rückenlehnen ausgestattet sind – die kann man jetzt also auch nutzen ohne danach „Rücken“ zu haben …
Ich ziehe mich jetzt auf meine Kabine zurück, schaue mir noch die Wiederholung der Prime Time im Bord-TV an (die läuft dort übrigens die ganze Nacht auf Kanal 1), gebe mich dann den Wellen hin und lasse mich in den Schlaf wiegen.
Weiterlesen: 27. April 2016: Southampton – der einzige Hafen der Reise