La Gomera – eine der sieben kanarischen Inseln. Und die einzige bewohnte, auf der ich noch nicht gewesen bin. Und das ändert sich heute. Und zwar um 8.00 Uhr – zu dieser Zeit beginnt nämlich mein heutiger Ausflug. Und da bis zum Ausflugsstart natürlich noch einige Vorleistungen zu erbringen sind, klingelt mein Wecker bereits vorsichtig gegen 6.30 Uhr.

Draußen ist es erwartungsgemäß noch dunkel, Dennis fragt verschlafen „Was’ los?“ und ich könnte mir vorstellen, dass man zukünftig die Halbtagesausflüge vielleicht auch nachmittags buchen könnte. Ich weiß sowieso nicht, warum ich die einem Reflex folgend immer schon in der Vormittagsvariante buche. Muss ich mir für die nächste Reise mit Mein Schiff mal merken.

Jetzt hilft das allerdings nichts mehr. Ich beneide Dennis, der einfach weiterschläft, ohne eine Antwort abzuwarten, und beginne den Tag mit einem kurzen Badaufenthalt, bevor ich im Anckelmannsplatz zu einem schnellen Frühstück vorbeischaue. Immerhin haben wir auf der Steuerbordseite vernünftigen Internetempfang (das ist die Seite, die in Richtung Hafen liegt), so dass ich beim Frühstück schon mal einen Blick in die Heimatzeitung werfen kann – fast wie zu Hause.

Nur dass es da egal ist, auf welcher Seite im Haus ich sitze und ich mein Geschirr dort selbst abräumen muss. Und ich um die Zeit noch im Bett liegen würde …

Hier mache ich mich dafür auf den Weg ins Theater, dem Treffpunkt zu unserem Ausflug „SSG03V – Panoramafahrt über La Gomera“. Dass bei „Schwierigkeitsgrad“ in der Ausflugsbroschüre nur eins von vier möglichen Kästchen ausgefüllt ist, hätte übrigens schon ein Hinweis auf die Altersstruktur sein können – und genau so kommt es auch. Ich gehöre hier eindeutig zur jüngeren Generation (was mir immer dann auffällt, wenn ich mit „Junger Mann“ betitelt werde) und komme mir ein bisschen vor wie vor einer Kaffeefahrt.

Nicht, dass das jetzt schlimm wäre – im Prinzip konnte ich es ja ahnen. Und gebucht habe ich den Ausflug ja trotzdem bei vollem Bewusstsein – denn es gibt hierbei einen Programmpunkt, den ich unbedingt mitmachen wollte. Dazu aber später mehr.

Jetzt vertreibe ich mir die Zeit bis zur Abfahrt aber erst einmal damit, mein Umfeld zu beobachten … und ein bisschen darüber zu berichten. Und wie immer in diesen Fällen kommt der Warnhinweis: Ähnlichkeiten sind rein zufällig … 😉

Heute bemitleide ich mal unseren Tourguide, die aktuell versucht, die ankommenden Mitreisenden einfach nur dazu zu bewegen, im Theater Platz zu nehmen, bis es losgeht. Denn noch ist das Schiff nicht freigegeben, so dass wir das Schiff weder verlassen noch uns im Bereich der Gangway aufhalten können.

Da hat sie aber die Rechnung ohne das Publikum gemacht. Die benehmen sich teilweise nämlich wie die kleinen Kinder. Oder noch schlimmer – Kinder machen ja meist irgendwann, was man von ihnen erwartet. Die hier anwesenden Seniorinnen und Senioren jedoch eher nicht.

Das fängt mit dem Hinsetzen an. Der Einfachheit halber werden die Leute gebeten, in den Reihen ganz durchzurutschen, damit man diese leichter auffüllen kann. Sinnlos – die ersten Sitzplätze einer bis dato leeren Reihe werden belegt. Und sich dann beschwert, wenn man für die nachkommenden Gäste aufstehen muss. Am besten belegen wir in jeder Reihe nur den ersten Platz – aber sonst könnte man ja zu spät zum Bus kommen.

Weiter geht es mit denen, die sich trotz Aufforderung gar nicht erst setzen: „Mein Mann ist nicht gut zu Fuß.“ OK, könnte ja ein Grund sein, sich dann zu setzen. Ist es aber nicht, da könnte das Aufstehen ja wieder die entscheidenden Sekunden auf dem Weg zum Bus kosten. Also bleibt man im Eingangsbereich stehen. Was dazu führt, dass die ersten, die sich eh schon widerwillig gesetzt hatten, wieder aufstehen. Von wegen dem Vorsprung …

Glaubt Ihr nicht? Wird noch besser: „Wir gehen schon mal vor. Mein Mann kann nicht so schnell.“ Mal unabhängig davon, was er jetzt nicht so schnell kann – da das Schiff noch nicht freigegeben ist, wartet auf Deck 2 aktuell niemand auf Passagiere, die sich schon mal im Ausgangsbereich tummeln. Und selbst der Hinweis: „Ich bekomme Ärger, wenn ich sie jetzt da runter gehen lasse.“ ändert nichts an der Sturheit der Passagiere: „Ach Kindchen …“ Und schon sind sie weg …

Das einzige, was mir echt Sorge macht … die Leute sind geschätzt teilweise mal gerade 15 Jahre älter als ich. Und bis jetzt hatte ich eigentlich nie Angst vorm Älterwerden … Hoffentlich ist das kein Automatismus – ich sehe schon mit Schrecken den ersten Kreuzfahrtreisebericht, der dann auch von mir handelt … 🙁

Glücklicherweise werde ich aus meinen Albträumen gerissen – es geht los. Und die „Mein-Mann-ist-nicht-gut-zu-Fuß“-Fraktion startet durch … es geht durchs Treppenhaus, nicht unbedingt schnell, aber doch so, dass Überholen erfolgreich verhindert wird, durch die Bordkartenkontrolle über die Gangway nach draußen. Die Fotografen werden bestenfalls ignoriert und im schlechtesten Fall beschimpft. Genauso wie unser Guide. Sie kann zwar nichts dafür, dass die Busse nicht direkt vor dem Schiff stehen, bekommt die Reaktion darauf aber ab.

Das hätte ja nirgendwo gestanden, dass man da 150 m laufen muss. Und vor allem auf dieser Strecke überholt werden kann 😉 Und so teilt sich jetzt das Feld … die einen spurten los und setzen sich an die Spitze (obwohl sie eigentlich gar nicht so genau wissen, wohin sie laufen müssen, da auch unser Guide bei den Überholten war), die anderen laufen hinterher (und werden dann potenziell doch die Ersten sein, da die „Spitze des Feldes“ gleich im falschen Bus sitzen wird).

Und dabei stehen für die rund 120 Leute doch drei Busse mit je 50 Sitzen bereit – von daher ist da doch genau so wenig ein Grund zur Eile wie beim Einsteigen in den Flieger … und da spielen sich ja ähnliche Szenen ab, obwohl – Ryan Air mal ausgenommen – ja jeder schon vorher weiß, wo er später sitzen wird. Und „reisefest“ müssten die Leute heute doch sowieso sein – die Ausflugsbeschreibung weist ja schon auf die Busfahrten über Serpentinen hin.

Aber wie auch immer – gegen 8.20 Uhr haben alle in einem der Busse einen Sitzplatz gefunden, die Sicherheitshinweise wurden verlesen (so wissen wir jetzt, dass unter dem Fahrer ein Feuerlöscher ist und die roten Hämmer zwischen den Fensterscheiben dazu gedacht sind, diese ggf. zu zerstören) und unsere Fahrt über die Insel beginnt.

Gleichzeitig setzt ein leichter Nieselregen ein (das kommt unerwartet – beim Frühstück hat der Kapitän noch etwas von 26°C und viel Sonne ins Mikrofon gesprochen) und wir erfahren, dass unser Busfahrer alle Kurven persönlich kennt. Und das ist auch gut so – denn noch wissen wir nicht, dass er nachher nicht mehr alle davon im Nebel sehen wird …

Und so geht es etwa 40 Minuten über eine steile Serpentinenstrecke bergauf – und je höher wir kommen, desto dichter wird der Nebel. Sogar unsere Reiseleiterin geht darauf ein – während Sie zu Beginn der Fahrt noch sagte: „Rechts sehen Sie …“ ist sie nun umgestiegen auf „Rechts würden Sie bei schönem Wetter … sehen.“ Denn tatsächlich sehen wir – nichts.

Und so bleibt es auch noch ein Weilchen. Erst bei unserem ersten Fotostopp, der Felsformation „Los Roques“, kann man erahnen, dass wir hier im Gebirge sind. Und manchmal verschwindet für wenige Sekunden sogar der Nebel und man kann erkennen, wie der Fels in Natura aussieht (ich hatte mir den unterwegs schon mal auf Wikipedia angesehen – für alle Fälle).

Hier draußen ist es übrigens doch etwas frischer als wir es die letzten Tage gewöhnt waren. Und das gibt natürlich wieder Anlass zur Beschwerde: „Das hätte uns ja mal einer sagen können.“ Nun, zum einen sollte man ab einem gewissen Alter ausreichend Lebenserfahrung erwarten können, so dass einem durchaus klar sein kann, dass es kühl werden kann, wenn man auf Berge klettert bzw. fährt. Und zum anderen kommt die Beschwerde natürlich genau von dem Paar, das vorhin trotz flehenden Bittens nicht im Theater warten, sondern stattdessen lieber beim Aufbau der Gangway im Weg stehen wollte. Dummerweise haben gerade die beiden dann den entsprechenden Hinweis auf ein Jäckchen im Theater verpasst …

Wir besteigen erneut den Bus und setzen unsere Panoramafahrt fort. Und ich stelle fest, dass ein Platz auf der linken Seite aussichtsmäßig deutlich besser geeignet wäre. Nicht unbedingt heute – da sieht man auf beiden Seiten nichts. Aber bei anderem Wetter würde man links mehr sehen als rechts …

Unser nächstes Ziel ist das Örtchen Chipude – und das erreichen wir nach weiteren Serpentinen im Garajonay-Nationalpark. Und dieser – noch aus der Steinzeit übrig gebliebene – Lorbeerwald hat schon etwas Mystisches an sich: die leicht aufsteigenden Nebelschwaden, das fahle, durch die dichten Kronen fallende Sonnenlicht, die mit Moos und Flechten bewachsenen Bäume – es würde sich wohl niemand wundern, wenn hier gleich Harry Potter oder Hagrid vorbeifliegen würde …

In Chipude angekommen, kommt das Thema mit der „Kaffeefahrt“ noch mal auf. Hier gibt es nämlich eigentlich nichts. Außer einer kleinen Bar mit Toilette, deren Benutzung den Genuss eines Kaffees, Cortados oder eine Cola voraussetzt. Und drei kleinen Töpfergeschäften – und die sind der eigentliche Grund des Aufenthalts. Denn es steht zu vermuten, dass die nur dann öffnen, wenn hier mindestens ein Reisebus vor der Tür steht – klar, wer sollte hier ansonsten auch eine handgemachte Eule oder einen Tonwandteller kaufen? Die wenigen Einwohner hier sicher nicht …

Nach etwa 20 Minuten ist das Shoppingerlebnis beendet und es geht weiter auf unserer Panoramafahrt – dieses Mal allerdings in die andere Richtung (und damit relativiert sich der Hinweis mit der Seite im Bus – die linke Seite ist jetzt nämlich die rechte). 😉

Wobei jetzt der Teil kommt, der mich interessiert: die „El Silbo“-Vorführung. El Silbo ist die Pfeifsprache, das traditionelle Kommunikationsmittel der Ureinwohner über lange Entfernungen (von Berg zu Berg). Ursprünglich auf allen kanarischen Inseln verbreitet, wird diese heute eigentlich nur noch hier, auf La Gomera, gepflegt. Und das richtig offiziell: seit 1999 wird die Sprache als Pflichtfach in den hiesigen Schulen gelehrt – und entsprechend benotet.

In einem Restaurant, in dem wir parallel mit Oliven und dem inseltypischen Mistela-Likör (muss man meiner Meinung nach aber nicht haben) bewirtet werden. Und zum zweiten (und letzten) Mal auf dieser Fahrt die Möglichkeit haben, eine Toilette zu benutzen. Wobei die hier immerhin nach Männlein und Weiblein getrennt sind – das ist zwar grundsätzlich egal, reduziert die Wartedauer für die Erstgenannten aber erheblich 😉

Plötzlich hören wir einen lauten Pfiff. Es geht los. Wir erfahren, dass die Pfeifsprache eigentlich nichts anderes ist als eine Umsetzung der gesprochenen Sprache in verschieden hohe Töne. Und so werden alle Vokale in verschiedenen Tonhöhen gepfiffen und die Konsonanten dazwischen ergänzend mit unterschiedlich langen Tönen und Pausen dargestellt. Eigentlich ganz einfach – und einzelne Worte sind (bei Kenntnissen der spanischen Sprache) sogar zu verstehen.

Und um zu beweisen, dass man sich mit dieser Sprache auch tatsächlich verständigen und auch kompliziertere Sachverhalte übermitteln kann, erleben wir jetzt eine kleine Vorführung. Nachdem einer der beiden „Pfeifer“ den Raum verlassen hat, werden drei zufällig von den Passagieren ausgewählte Gegenstände an von uns ausgewählten Orten im Raum versteckt. Aufgabe ist nun, dass der anwesende „Pfeifer“ mittels Pfeifsprache beschreibt, welcher Gegenstand wo versteckt ist und wem er gehört.

Und siehe da – das klappt erstaunlich gut. In kurzer Zeit sind Kamera, Apfel und Tourguideschild gefunden und dem rechtmäßigen Besitzer übergeben. Der Applaus spricht für sich … Und wie man hört, soll das mit dem Pfeifen eigentlich ganz einfach sein: Finger angewinkelt in den Mund, Zunge zurückdrehen, Lippe leicht einklappen und dann mittels einer Kombination aus Pusten, Finger- und Zungenbewegung die passenden Töne formen. Stimmt – und im hiesigen Krankenhaus kann bestimmt auch jemand das Durcheinander von Fingern, Zungen und Lippen im Mund wieder auseinander sortieren …

Ich beschließe, das nicht lernen zu wollen – und hoffe, auf der Rückfahrt ein bisschen mehr zu sehen als auf der Hinfahrt. Und auch wenn wir Los Roques wieder nicht sehen (dieses Mal noch nicht mal ein bisschen), so können wir danach doch den einen oder anderen Blick in die Täler genießen – und die sind in der Tat sehenswert. Und so gibt es doch noch ein bisschen „Panorama“ auf unserer Panoramafahrt.

Während unserer gut 70-minütigen Rückfahrt über Serpentinen gibt unsere Reiseleiterin dann zwischendurch noch den Hinweis, dass bei Bedarf bei ihr Tüten vorhanden wären … die Antwort von ziemlich weit hinten: „Zu spät …“ will ich aber glaube ich gar nicht genauer hinterfragen. Wobei der Hinweis zu Beginn der Fahrt sicherlich hilfreicher gewesen wäre – zumindest aber hilfreicher als die Erklärung, für was die Nothämmer gedacht sind.

Trotz allem kommen wir irgendwann wohlbehalten wieder am Hafen an – gegen 12.30 Uhr sitze ich schon mit Arndt im Anckelmannsplatz beim Mittagessen. Ich gebe hier quasi das „Ausflugszepter“ weiter – denn Dennis und er starten um 13.00 Uhr zur „Wal- und Delfinbeobachtung“ (und werden, wie ich später erfahre, auch welche sehen). Und der guten Ordnung halber: Birga ist heute auch relativ früh gestartet und hat die Insel erwandert – und auch das muss sich richtig gelohnt haben. Also wieder mal ein typisches Beispiel, warum Kreuzfahrten eine gute Urlaubsvariante sind – jeder kann die Tage eines gemeinsamen Urlaubs hier nach seinen individuellen Vorstellungen verbringen … also so etwas wie „gemeinsamer Individualurlaub“ …

Nach dem Mittagessen beginnt für mich jetzt erst einmal die Erholungsphase – ich lege mich in die Sonne und genieße das halbleere Schiff. Im Gegensatz zu den Schiffstagen ist hier heute relativ wenig los … und so freue ich mich auch schon auf morgen, wo ich auf La Palma meinen „persönlichen Schiffstag“ ohne Ausflug an Bord verbringen kann.

Leider kommt inzwischen wieder ein leichter Nieselregen auf, so dass ich meinen Sonnenplatz verlasse und mich in der Unverzichtbar bei einem Aperol Spritz (mit Prosecco) und zwei Kugeln Eis um meinen Reisebericht kümmere.

Der 18.00-Uhr-Aufguss ist ja inzwischen fast schon obligatorisch – und so treffe ich mich um 19.30 Uhr frisch gewaschen und gebügelt mit Arndt und Birga im Hanami zu unserem zweiten Essen aus dem Gourmet Paket.

Im Vorfeld haben die beiden noch die Ausflugsschalter bemühen müssen, da der von Arndt und Dennis für den morgigen Tag angedachte Schnorchelausflug „witterungsbedingt“ abgesagt werden musste – Arndt nutzt damit jetzt die Gelegenheit, die bislang von Birga allein geplante Radtour zu begleiten während Dennis wohl ebenfalls einen Schiffstag einlegen wird.

Leider ist nicht wirklich in Erfahrung zu bringen, welcher Art die witterungsbedingte Absage ist – der Wetterbericht gibt da nicht wirklich etwas her. Könnte ggf. etwas mit dem Wind zu tun haben – aber mit rund 30 km/h ist das ja auch noch weit von einem Sturm entfernt. Naja, warten wir’s ab – morgen wissen wir mehr.

Jetzt gibt’s jedenfalls erst mal lecker Frühlingsrolle, Sushimi, Nigiri, Makirolle und Rindercarpaccio auf japanische Art gegen unseren zweiten Gutschein. Und was soll ich sagen – es ist mal wieder lecker … irgendwie freue ich mich schon darauf, wenn das Hanami auf der Mein Schiff 5 in den Diamanten zieht – dann wird das leckere Essen noch mit einer guten Aussicht komplettiert.

Pünktlich um 23.00 Uhr hören wir dann die bekannten drei Töne aus den Typhoon – das untrügliche Zeichen dafür, dass erneut ein Tag an Land zu Ende geht und wir wieder unterwegs sind … dieses Mal unterwegs nach La Palma …

15. Oktober 2015: Santa Cruz (La Palma)