Heute laufen wir die zweite karibische Insel unserer Reise an – Grenada ist unser Ziel. Wie geplant laufen wir gegen 8.00 Uhr im Hafen von St. George’s ein; rund 28°C und wolkenloser Himmel sind vorhergesagt. So soll es sein …
Natürlich beginnt der Tag für mich schon ein bisschen früher. Wenige Minuten vor Sonnenaufgang wache ich auf, schaue mal im Bad vorbei und gehe im Rossini ausgiebig frühstücken – heute stehen nämlich sportliche Höchstleistungen auf dem Programm. Doch dazu später mehr.
Zunächst ist nämlich noch etwas Freizeit angesagt und die nutze ich zur Abwechslung mal für ein bisschen Mailbearbeitung. Und auch ein Blick auf die Nachrichtenagenturen schadet da nicht – Themen wie Zypern, Nordkorea und der Winter zu Hause sollte man ja zumindest mal im Auge behalten, auch wenn sie hier unter der karibischen Sonne eher unbedeutend erscheinen.
Gegen 11.00 Uhr geht es dann los: ich habe heute den Ausflug GREB03 gebucht – und Kennern der AIDA-Szene wird gleich aufgefallen sein, dass nach dem dreistelligen Hafenkürzel (GRE) die Kennung (B) für „Biking“ folgt. Der heutige Tag hat also auch etwas sportlichen Charakter – gilt es doch den Strand per Fahrrad zu erreichen. „Pures Strandvergnügen per Bike“ heißt unsere Schnupper-Biking-Tour, sollte also auch für eher Passiv-Sportler wie mich zu absolvieren sein.
Unsere Gruppe trifft sich im Treppenhaus vor Deck 3, wo wir zunächst einmal mit dem Nötigsten ausgestattet werden – Fahrradhelm und Trinkflaschen sind dabei obligatorisch, den Rucksack gibt es auf Wunsch dazu. Und dann geht’s auch schon auf die Pier. In Reih’ und Glied stehen unsere Räder bereit, sind bereits auf die jeweilige Körpergröße voreingestellt und sortiert nach Rücktritt/Freilauf.
Parallel mit uns bricht noch eine zweite Gruppe zu einer Soft-Aktiv-Tour auf – da soll es dann nicht nur eben wie bei uns sein sondern auch die eine oder andere Steigung geben. Aber das lassen wir mal lieber, ich bin ja hier im Urlaub. Die Beschreibung unserer Tour reicht mir vollkommen aus: „Wer ab und zu mit dem Fahrrad zum Bäcker fährt, ist hier gut aufgehoben“. Gut 7 km an der Küste entlang zum Strand, dann 2 ½ Stunden Schwimmen und Sonnen und dann gemütlich zurück – so ist der Plan.
Die Praxis wird dann doch leicht anders. „Gemütlich der Küste entlang“ assoziiere ich mit einer Uferpromenade, das Meer auf der rechten Seite, links ein paar Blumenbeete und eine mehr oder wenige eben Strecke. Soweit zur Theorie. In der Praxis beginnt die Tour in der chaotischen Innenstadt von St. George’s. Dort treffen rund zwanzig Radler auf eine Masse von Autofahrern, die in ihrem Fahrzeug im Wesentlichen die Hupe bedienen können. Wir treffen auf Straßen, die nur unwesentlich breiter als die Autos sind und eine Straßenverkehrsordnung, die es offensichtlich nicht gibt. Kurzum: wir sind Fremdkörper im Straßenbild und werden auch als solche behandelt.
Darüberhinaus liegt St. George’s jetzt wohl doch irgendwie in bergigem Gelände – es geht also nicht eben durch die Stadt sondern im Wesentlichen bergauf und bergab. In Summe ergibt das dann zwar auch null Höhenmeter – aber auch das hatten wir im Vorfeld anders verstanden.
Ich fasse also mal die erste halbe Stunde zusammen: es geht bergauf, bergab durch eine chaotische karibische Stadt, in der Radler so selten sind wie Skifahrer in der Innenstadt von Frankfurt. Darüberhinaus gilt für uns offensichtlich immer die Regel, dass die anderen Vorfahrt haben und sich diese auch rücksichtslos nehmen – naja, stimmt nicht ganz: Sie hupen noch kurz, bevor sie an Dir mit zwei Zentimeter Abstand vorbeifahren. Ach ja, und zu allem Überfluss fährt man hier auch noch auf der falschen Seite – auf Grenada gibt es Linksverkehr.
Dann kommen wir immerhin aus dem gröbsten Verkehrsgewühl raus – an dem Auf und Ab hat sich allerdings nichts geändert. Und so kommt es nach etwa einer Stunde so wie es bei 30°C kommen musste: der erste Kreislaufzusammenbruch einer Mitreisenden unterbricht unsere Fahrt. Parallel dazu macht mir mein Schultergelenk zu schaffen, das schon länger angeschlagen, bei normaler Belastung Dank umfangreicher physiotherapeutischer Maßnahmen aber inzwischen beschwerdefrei ist. Die Anstiege und damit die Belastung im Arm sind da aber eher kontraproduktiv … aber damit hatte ich bei der Tour ja auch nicht gerechnet. Naja, mal abwarten wie sich das weiterentwickelt.
Inzwischen sind wir nämlich wieder auf der Piste – die um den Kreislaufkollaps nebst Gatten reduzierte Tour (beide sind inzwischen per Taxi auf dem Weg zum Schiff) geht in die nächste Runde. Zum dritten Mal erfahren wir, dass wir gleich da sind – und rein rechnerisch sollte das auch so sein, da der Ausflug insgesamt rund vier Stunden dauern soll, wir davon 2 ½ Stunden am Strand sein wollen und die für Hin- und Rückfahrt geplante Zeit inzwischen aufgebraucht ist.
Und dann, man glaubt es kaum, sind wir am Flughafen angekommen. Warum das gut ist? Nun, der Strand soll davon nur noch wenige Minuten entfernt sein – und das stimmt sogar. Noch mal einen steilen Aufstieg nehmen (was mehr als die Hälfte der Gruppe schiebend macht) und dann geht es rechts in eine unscheinbare Einfahrt. Dahinter verbirgt sich das „Aquarium“, bestehend aus einer sehr schöne Strandbar, türkisfarbenem Meer und einem schönen Sandstrand.
Zumindest das Ziel hat die Mühen also gelohnt. Zwar werden aus den 2 ½ Stunden Aufenthalt hinterher nur zwei Stunden und die Rückkunft erfolgt mehr als eine Stunde verspätet – aber da muss man sich vielleicht auch den karibischen Verhältnissen anpassen, in denen Zeit ein sehr relativer Begriff ist.
Ich habe zwischenzeitlich im Übrigen die Entscheidung getroffen, den Rückweg nicht mehr per Rad sondern mit dem Taxi zu absolvieren – bevor ich mit meiner Schulter wieder da bin wo ich vor einem halben Jahr schon mal war. Denn der Rückweg wäre der gleiche – nur dass Steigung und Gefälle jetzt vertauscht sind – und mein Bauchgefühl sagt mir, dass das keine gute Idee wäre.
Jetzt ist aber erst mal Erholung auf der Tagesordnung. Wasser, Strand, Bar – das sind die Orte, an denen ich die nächsten zwei Stunden zu finden bin. Und damit lohnt sich dann der Ausflug in jedem Fall – und wenn man im Vorfeld gewusst hätte, wie der Fahrradteil aussieht, wäre das Ganze noch mal besser gewesen … dann wären nämlich die mitgefahren, die eine „aktive“ Schnuppertour gesucht haben.
Ich habe übrigens mal die Biker gefragt, wieso die Tour als „Schnuppertour“ ausgeschrieben ist obwohl sie ja doch einige aktive Bestandteile hat. Die Antwort ist wenig verwunderlich: „Das entscheidet Rostock.“ Unter welchen Gesichtspunkten das geschieht oder nach welchen Kriterien sei einmal dahingestellt. Tipp von mir nach Rostock: Hinfahren, aufs Rad setzen, fahren – und dann sagen, wie’s war …
Viel zu schnell vergeht die Zeit – in zehn Minuten geht es zurück. Die Organisation der Taxifahrt ist recht problemlos – vier Crewmitglieder von AIDA sind auch an diesem Strand (was übrigens ein Zeichen dafür ist, dass es sich lohnt, den anzufahren) und haben für die Rückfahrt ein Taxi bestellt – und da das hier in der Regel Minibusse sind, ist es problemlos auch mich und mein Fahrrad mitzunehmen.
Und so kommt es, dass ich bereits eine halbe Stunde später zurück auf dem Schiff bin – gerade rechtzeitig, um noch ein Stückchen Kuchen zu essen und dann die 5-nach-5 und 6-nach-6-Aufgüsse mitzumachen. Der Erholungswert ist nicht zu unterschätzen – danach sind meine müden Knochen wieder munter und auch meine Schulter hat nichts mehr von sich hören lassen … ein gutes Zeichen.
Der nächste Programmpunkt des Abends ist dann – wie könnte es anders sein – das Abendessen; während im Calypso indische Speisen den Schwerpunkt bilden gibt es im Marktrestaurant „Alpenglühn“. Und auch wenn ich indische Kost (da meistens gut gewürzt) sehr mag, kommt mir das Alpen-Essen mehr entgegen. Da fühlt man sich dann gleich wie im Urlaub … 😉
Den Verdauungsramazotti gibt es dann im Anschluss an der AIDA-Bar, wo ich mit Paulo, Tina, Laura und Miguel zum Austausch der Erlebnisse heute auf Grenada zusammensitze. Spät wird es allerdings nicht wirklich, da unsere Ausflüge morgen alle gegen 7.00 Uhr beginnen. Und bis dahin sollte man zumindest schon gewaschen sein und gefrühstückt haben …
Also verschwinde ich auf meiner Kabine, reiße die Balkontür auf und lasse mich – wie so oft – vom Rauschen der Wellen und dem fahlen Mondlicht in den Schlaf wiegen.