Der zweite Tag in Belém ist für mich dann schon etwas anstrengender. Heute steht nämlich, gemeinsam mit Arndt, Birga, Niklas und Dennis ein Ganztagesausflug an: „BEL04: Belém und Umgebung“.
Doch zuvor steht noch der morgendliche Sprung ins Bad, verbunden mit dem Auftragen einer Schicht Sonnenschutzmilch sowie das Frühstück, heute aufgrund des knappen Zeitfensters leider wieder nicht im Rossini, an. Den Abschluss der Vorbereitungen bilden dann das Mückenspray (DEET 40%) und die Vorbereitung für evtl. Überfälle.
Das hört sich jetzt natürlich wieder mal dramatischer an als es tatsächlich sein wird; dennoch vergeht praktisch keine AIDA-Tour am Amazonas, ohne dass nicht ein Crewmitglied oder ein Passagier Opfer eines Raubüberfalls oder zumindest eines Taschendiebstahls wird. Von daher sind die Warnhinweise auch eindeutig: Schmuck und Uhren gehören in den Safe, Kameras in eine Tasche oder einen Rucksack, auf Handtaschen sollte man besser verzichten, Ausweise nur als Kopie mitführen und auf Bargeld soweit irgend möglich verzichten. Und genau das mache ich jetzt, wobei ich durchaus die Hoffnung habe, dass wir bei einem organisierten Ausflug tendenziell sicherer sein sollten als bei einem Spaziergang allein oder zu zweit.
Doch zurück zum Ausflug. Wir treffen uns um 8.00 Uhr im Theater (das weist schon mal auf eine größere Gruppe hin) bevor wir uns auf den Weg auf Deck 3 machen, wo wir von einem Ausflugsboot erwartet werden. Dieses bringt uns nach etwa 20 Minuten auf dem Amazonas an den Hafen von Belém, wo wir bereits von mehreren Reisebussen erwartet werden.
Bislang sieht hier alles friedlich aus – aber irgendwie scheint man dem Frieden nicht zu trauen, denn unser Bus wird während des Ausflugs von zwei Security-Mitarbeitern begleitet (die sich optisch der restlichen Bevölkerung angepasst haben). Und das erhöht in der Tat das subjektive Sicherheitsgefühl beträchtlich.
Da in Bus Nummer 3 wohl noch sechs freie Plätze vorhanden sind („zwei unten und vier oben“), kommen wir als 5er-Gruppe zum Zug – und sind erstaunt darüber, dass „unten“ so etwas wie eine Lounge meint. Und die zwei freien Plätze sind eigentlich acht sehr großzügige Liegesessel zuzüglich einer Art Lounge-Couch mit Tisch. Sieht irgendwie nach Hauptgewinn aus … Wir machen es uns gemütlich und harren der Dinge, die da kommen mögen.
Zunächst fahren wir also vom Hafen zu den Markthallen „Ver-o-peso“. Und das dauert … etwa zwei Minuten. Dann dürfen wir schon wieder aussteigen, können allerdings die Rucksäcke auf Wunsch im Bus lassen. Ich nehme also nur meine Kamera mit und lasse den Rest zurück. Das ist jetzt zwar bequem, aber dennoch keine wirklich gute Idee. Warum? Erzähle ich später.
Jetzt geht es nämlich erst einmal durch die Markthallen. Obst, Gemüse, exotische Früchte, Gewürze, aber auch „Kunsthandwerk“ (Souvenirs) werden in einer Vielzahl von Hallen und an unzähligen Ständen, die teilweise nur aus ein paar Holzkisten bestehen, feilgeboten. Hier vermischen sich alle Sinneseindrücke, Gerüche, die für unsere Nasen seltsam sind mit einem farbenfrohen Gewusel von Menschen und Tieren (die hier entweder auf der Suche nach Nahrung sind oder auf dem Weg dahin sind, selbst welche zu werden).
Kein Wunder, dass hier der Taschendiebstahl boomt – und von daher ist es ein sehr angenehmes Gefühl, sich unter ständiger Beobachtung zu fühlen. Zumal alle paar Meter schwer bewaffnete Militärpolizisten stehen – Brasilien scheint das Kriminalitätsproblem wirklich Ernst zu nehmen und sich für die WM 2014 zu rüsten.
Nächstes Ziel unserer Gruppe ist nun die Fleischmarkthalle auf der Straßenseite gegenüber. Hier sind die Stände immerhin massiv gebaut und haben – zumindest teilweise – so etwas wie eine Kühltruhe. Trotz allem sieht Hygiene bei uns anders aus – so verarbeitetes Fleisch dürfte man vermutlich noch nicht mal mehr als Tiernahrung nehmen. Aber vielleicht sollte man auch nicht immer alles nur vergleichen – hier scheint das so ja zu funktionieren.
Lebhaft wird es dann in der nächsten Halle. Hier erwartet uns nämlich allerlei Getier, dass in der Nacht zuvor noch friedlich im Amazonas geschwommen ist. Im wesentlichen sind dies natürlich Fische, aber auch Krabben scheint man dort fangen zu können. Die Fische werden von den Fischkuttern am Hafen vor der Tür direkt angeliefert und der Fisch wird hier sofort verarbeitet – das geht in der Tat nicht frischer. Einziger Nachteil: Fisch riecht ziemlich intensiv. Und das verträgt leider nicht jeder – wohl dem, der es rechtzeitig wieder vor die Tür schafft oder ein passendes Tütchen greifbar hat. 😉
Dummerweise ist das mit der frischen Luft vor der Tür aber auch nicht so einfach … hier stehen nämlich die Fischkutter und entladen ihre Fracht, so dass manch einer vom Regen in die Traufe kommt. Aber zugegeben, so wie es hier aussieht (das hat in der Tat schon was von Müllkippe), fällt ein Passagier mit Frühstücksauswurf hier gar nicht weiter auf …
Insbesondere das Hafenbecken muss hier als Mülldeponie herhalten. Teilweise ist das Wasser so vermüllt, dass es gar nicht mehr sichtbar ist sondern vielmehr aus einer geschlossenen Decke aus Abfällen und Plastikflaschen besteht. Die Ratten freut das natürlich …
Wie sagte eine Mitreisende so schön: „Das muss man wirklich nicht sehen.“ Nun, ich denke, das sollte man durchaus mal gesehen haben … Ähnlich der Verhältnisse in Indien oder auch in Vietnam bzw. Bangkok holt einen das durchaus mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und lässt unser eigenes Glück, dort zu leben wo wir leben, wieder deutlicher sichtbar werden. Und es zeigt wieder mal nur zu deutlich auf, wie klein unsere Probleme doch eigentlich sind …
Inzwischen sind auch diejenigen wieder aus der Halle gekommen, die etwas weniger magenempfindlich sind, so dass wir unseren Weg in Belém fortsetzen können. Unser nächstes Ziel ist die Festung „Forte do Castelo“, das wir in wenigen Minuten zu Fuß erreichen und für dessen Besichtigung rund 20 Minuten Zeit verbleiben. Und da kommt jetzt der fehlende Rucksack ins Spiel – da ist nämlich mein Wasservorrat drin … und bei gut 30°C und einer Luftfeuchtigkeit von mehr als 90% wäre die jetzt ziemlich hilfreich gewesen. Memo an mich: Wasser zukünftig immer am Mann.
Glücklicherweise setzen wir unsere Fahrt jetzt mit dem Bus fort, so dass ich zum einen meinen Wasserhaushalt wieder in den Griff bekomme und zum anderen durch die Klimaanlage (die natürlich wieder auf „Max“ steht) meine Körpertemperatur wieder auf medizinisch vertretbare Werte sinkt.
Leider ist auch diese Fahrt nicht von langer Dauer. Kurze Zeit später haben wir nämlich den Park Emilio-Goeldí, einen botanischen Garten mit kleinem Zoo erreicht, der uns einen kleinen Eindruck der Tier- und Pflanzenwelt im Amazonasgebiet gibt. Eine Stunde ist hier vorgesehen, wobei die Zeit – Dank mitgeführter Wasserflasche – und ausführlicher Erläuterungen unserer Reiseleiterin recht schnell vergeht.
Damit wird es jetzt auch langsam Zeit für das Mittagessen. Hierzu fahren wir rund 20 Minuten mit dem Bus in einen Randbezirk der 1,4-Mio-Einwohner-Stadt, wo uns ein großes Freiluft-Restaurant mit einem leckeren Buffet erwartet. Und im Gegensatz zum letzten Mal ist die Auswahl – selbst unter Berücksichtigung der „Peal-it, Cook-it oder Leave-it“-Regel – deutlich größer: Fischfilet, Chicken, Rindfleisch, Reis, Nudeln mit Käsesauce und eine Obstauswahl erwarten uns.
Hier wechseln wir übrigens auch unser Verkehrsmittel. Leider müssen wir unsere Bus-Lounge verlassen und mit dem Oberdeck eines weiteren Ausflugsbootes tauschen, das uns nun in einer knapp einstündigen Fahrt durch enge Kanäle in den Regenwald bringt. Links und rechts der Kanäle sind viele auf Stelzen gebaute Holzhäuser zu finden, spielende Kinder im, am und auf dem Wasser gehören zur Szenerie. Und kein einziger Bewohner lässt es sich nehmen, uns zu winken … ein Phänomen, das ich wirklich überall auf der Welt bislang beobachten konnte – nur bei uns zu Hause ist mir das noch nie wirklich aufgefallen. Ich glaube, ich mache das demnächst wirklich mal, wenn mir mal wieder ein Bus mit Japanern in Frankfurt begegnet – vielleicht schreibt das dann ja auch mal einer auf … 😉
Doch zurück in den Dschungel – wir haben unser Ziel erreicht. Wir verlassen die Boote und haben nun eine rund einstündige Wanderung im Regenwald vor uns. Und dieses Mal sind wir nicht in einem künstlichen Garten – dieses Mal sind wir in der Natur. Und wir merken schnell – wir Menschen spielen hier nicht die Hauptrolle sondern sind bestenfalls geduldet.
Unter Dschungelwanderung sollte man sich jetzt im Übrigen keinen Waldspaziergang in heimischen Wäldern vorstellen. Klar, Bäume gibt es hier auch … aber die sind größer, älter, grüner, dichter gewachsen, teilweise mit Lianen versehen und teilweise mehrere hundert Jahre alt und größer als ein sechsstöckiges Haus.
Die Wege sind etwas schmäler – teilweise nicht breiter als man selbst und ständig hat man das Gefühl, beobachtet zu werden (und wahrscheinlich ist das nicht nur ein Gefühl). Ich schließe den obersten Knopf meines Hemdes in der Hoffnung, dass das verhindern könnte, das irgendwas von oben den Weg nach unten findet und sich in meinem Kragen wohlfühlt. Und ich nehme mir vor, meinen Rucksack heute Abend ganz genau zu inspizieren – nicht, dass da auch was auf dieser Wanderung heimisch geworden ist.
So wie die Vogelspinne, die uns urplötzlich über den Weg läuft. Erstaunlicherweise gibt es in der Tat Menschen, die dieses Tier dann auf dem Arm haben müssen und es witzig finden, wenn sie auf der Hand sitzt. Ich gehöre da definitiv nicht dazu – mit langt es vollkommen, sie zu fotografieren (dem Teleobjektiv sei Dank). Und zu wissen, dass es die Dinger hier wirklich in der freien Wildbahn gibt …
Wir setzen unseren Weg fort; dieser wird immer schmäler und der Dschungel dichter. Fotografieren geht jetzt – obwohl es helllichter Tag ist – nur noch mit Blitz. Und dann kommt natürlich noch, was unweigerlich kommen muss … ein tropischer Regenschauer. Glücklicherweise ist der Dschungel hier so dicht, dass wir davon erst richtig etwas merken als wir wieder auf dem Rückweg zu unserem Schiff sind – da dann allerdings richtig.
Und das ist jetzt auch die Gelegenheit für meine Begleiter, die seit Tagen (bislang nutzlos) mitgeführten Regenponchos ihrer Bestimmung zuzuführen. Ich beschränke mich allerdings darauf, meine Kamera einer Plastiktüte anzuvertrauen – und stelle fest, dass Kleidung in der Tat genau so schnell trocknet wie sie nass wird. Wenige Minuten nachdem der Regenschauer vorüber ist, ist meine Kleidung wieder auf dem gleichen Stand wie davor …
Zurück auf dem Ausflugsboot treten wir nun final den Rückweg an … eine gute Stunde Bootsfahrt liegt nun noch vor uns bis wir die AIDAvita wieder erreichen. Zeit genug, um den heutigen Ausflug noch einmal Revue passieren zu lassen. Und das Fazit fällt für mich positiv aus – der Ausflug war eine tolle Mischung aus Kultur und Natur; es gab sowohl einen (kleinen) Einblick in das Leben in Belém als auch viel Wissens- und Erlebenswertes in der Natur. Und auch wenn sich die Dschungel-Beschreibung recht dramatisch anhören mag – der Spaziergang hat Spaß gemacht, aber dennoch einen ersten Eindruck vermittelt, was Dschungel und Regenwald eigentlich wirklich bedeutet. Ach ja, richtig schön ist so eine Dschungelwanderung übrigens, wenn jemand dabei ist, der einen gewissen Respekt vor der Fauna hat und selbst kleinste Berührungen mit dem Finger am Kragen als Invasion ekliger Krabbeltiere auffasst … 😉
Auf der Vita führt mich mein erster Gang dann direkt in die Sauna – jetzt erst einmal duschen und dann alles mal ausschwitzen. Spätestens nach der kalten Dusche hinterher fühle ich mich wieder wie neu geboren … als hätte jemand auf „Reset“ gedrückt.
Frisch geduscht mache ich mich dann auf dem Weg zum Abendessen; heute gibt es „Italien“ im Marktrestaurant – unnötig zu erwähnen, dass es wieder hervorragend geschmeckt hat. Allerdings bietet es sich an, hier noch mal das Restaurantkonzept der „kleinen“ Schiffe mit dem der „Großen“ zu vergleichen – während es auf den großen Schiffen naturgemäß mehr Auswahl an Restaurants gibt, bieten die jeweiligen Themenabende auf den kleinen Schiffen deutlich mehr Abwechslung bei den Speisen. Ich bin da immer hin- und hergerissen, würde aber wohl weiterhin den kleinen Schiffen den Vorzug geben – auch wenn mir hier Sushi-Bar und Brauhaus fehlen.
Der Rest des Abends ist dann schnell berichtet: um 20.00 Uhr treffe ich in der Anytime auf Guido, Michael, Helga, Hanne und Christel zur gemeinsamen Jagd aufs Bingo (die natürlich wieder nicht gelingt) bevor wir dann gemeinsam im Theater den Auftritt von Vera Deckers verfolgen. Die aus dem Quatsch-Comedy-Club bekannte Psychologin (die ihr Geld inzwischen als Comedian verdient) lässt uns teilhaben an ihren Beobachtungen auf dieser Reise. So berichtet sie beispielsweise über das Anstehen an Rezeption oder Ausflugscounter – ein Diskretionsabstand ist hier meistens nicht zu finden … offensichtlich, da ein zu großer Abstand von anderen Mitreisenden als „zielloses Herumlungern“ ausgelegt werden könnte, so dass dann gern einmal überholt wird – und im Übrigen würden gerade reifere Herrschaften hier ein beachtliches Tempo an den Tag legen … Schau mal einer an, hab’ das also nicht nur ich so empfunden … 😉
Auf weitere Programmpunkte am Abend verzichte ich … der Tag ist jetzt doch eher lang und anstrengend gewesen, so dass ich mich kurz vor Mitternacht von unserem nach wie vor leichten Seegang in den Schlaf schaukeln lasse.