Wie gewohnt beginnt der nächste Tag für mich ziemlich pünktlich mit dem Sonnenaufgang, wobei mir das zum Aufstehen dann aber doch noch ein bisschen zu früh ist. Ich gebe mir also eine Verlängerung und stehe erst gegen 7.00 Uhr auf. Der Sprung ins Bad geht recht schnell, der ins Internet dauert etwas länger … 😉 Und das führt dann auch dazu, dass ich mich gegen das Frühstück im Rossini entscheide und stattdessen eine Kleinigkeit im Calypso esse.

Um 8.45 Uhr treffen wir uns nämlich schon in der AIDA-Bar zu unserem heutigen Ausflug „MAO03: Das Treffen der Wasser & Leben am Amazonas“, den ich gemeinsam mit Arndt und Niklas mache. Erstaunlicherweise sind auch praktisch alle Ausflügler pünktlich am Treffpunkt, so dass wir gleich durchstarten können.

Wir verlassen das Schiff auf Deck 6 und gehen zu einem der wartenden Ausflugsboote. Das sind übrigens die gleichen wie gestern Abend – und auch die Strecke kommt mir irgendwie bekannt vor (wobei das jetzt bei Tageslicht doch irgendwie anders aussieht). Aber spätestens als wir nach einer knappen Dreiviertelstunde das schwimmende Haus erreichen (das war das mit dem Licht heute Nacht) und dort die Motorkanus von heute Nacht liegen, ist klar, dass zumindest der erste Teil identisch ist.

Aber das macht überhaupt nichts – sieht man doch jetzt mal, was man heute Nacht maximal gehört oder gefühlt hat: eine tolle Landschaft mit viel Wasser und viel Grün erstreckt sich kilometerweit in alle Richtungen. Zwischendurch immer wieder mal schwimmende Häuser – und das ist es dann auch schon gewesen mit der Zivilisation. Naja, fast. Das Haus, an dem wir die Boote wechseln, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen und bei Tageslicht nämlich als riesiger Souvenirshop. Und hier gibt es nicht nur alles, was man sich als Souvenir vorstellen kann sondern auch viele Schilder, die darauf hinweisen, dass man sich keine Sorgen um Bargeld machen müsste: „Amex, VISA und Mastercard are welcome!“ – so viel zum Thema „Naturvolk“. 😉

Die vielen schwimmenden Häuser sind übrigens der Situation geschuldet, dass der Wasserstand hier – abhängig von der Jahreszeit – um bis zu 15 m differiert. Während gegen Ende der Regenzeit im Juni der höchste Stand gemessen wird, liegt der Pegel zu deren Beginn (Anfang Dezember) deutlich niedriger. Jedes fest gebaute Haus würde daher entweder hoffnungslos überflutet werden oder müsste auf etwa 15 m hohen Stelzen stehen.

Und so hat man die schwimmenden Häuser erfunden. Hierbei handelt es sich um Holzhäuser, die auf einer Art Bodenplatte stehen (also nebeneinander genagelte Planken), unter denen man große Baumstämme befestigt hat. Und ähnlich einem Floß schwimmen diese Häuser dann einfach immer an der Wasseroberfläche bzw. sitzen bei Niedrigwasser auf dem Grund auf (und stehen – je nach Auswahl der Baumstämme – auch mal ziemlich schief in der Landschaft herum). Und so kann man – abhängig von der Jahreszeit – sein Haus verlassen und entweder ein bisschen spazieren gehen oder alternativ sich direkt in die Fluten stürzen (wobei das Piranha- und Kaiman-Thema ggf. noch berücksichtigt werden muss).

Wir sitzen inzwischen übrigens in den Motorkanus und pflügen uns durch die Seitenarme des Rio Negro auf dem Weg zum Janauary-See. Und jetzt bei Tageslicht sieht das auch gar nicht mehr so bedrohlich aus wie heute Nacht … 😉

Etwa 45 Minuten später kommen wir an unserer ersten Station an – von hier geht es zu Fuß weiter. Etwa 15 Minuten gehen wir auf einem Holzsteg in luftiger Höhe (das ist dem Wasserstand am Ende der Regenzeit geschuldet, zu der der Steg dann nur knapp über der Wasseroberfläche verläuft) in den Regenwald. Und hier kommt das dann auch wieder mit den Geräuschen zum Tragen. Das wirkt zwar tagsüber nicht wirklich bedrohlich, aber so ganz sicher kann man sich ja nie sein, was da auf oder an dem nächsten Baum so hängt oder krabbelt.

Am Ende des Stegs offenbart sich dann ein weiterer See (der sich dann irgendwann auch in die Flusslandschaft integriert). Hier sehen wir u.a. riesige Seerosen oder, genauer gesagt, deren Blätter – und die sollen so stabil sein, dass sie kleine Kinder durchaus tragen würden. Ausprobieren wollen wir das aber nicht, da auf der Wasseroberfläche durchaus ab und zu mal der Kopf eines Kaimans herausschaut. Und die sind eine Nummer größer als die von heute Nacht – und spätestens als der erste aus dem Wasser steigt, um ein Sonnenbad zu nehmen, ist das Gewissheit. So zwischen 2 und 2 ½ Metern dürfte das Teil messen – und von unserem Steg zehn Metern obendrüber ist das auch ganz nett anzusehen. Aber es ruft einem wieder in Erinnerung, dass wir uns hier nicht im geschützten Umfeld eines Zoos befinden sondern in der freien Natur …

Während wir uns auf den Weg zurück zu unseren Motorkanus machen, kann ich ja mal ein bisschen was zum Thema Wetter schreiben … Wie erwartet liegen die Temperaturen hier doch deutlich über den winterlichen Werten zu Hause. Aktuell dürften es so um die 30°C sein, wobei die hohe Luftfeuchtigkeit das Wärmegefühl deutlich verstärkt (das ist dann so ähnlich wie in einer Dampfsauna). Entsprechend gibt es hier nichts Wichtigeres als ausreichende Flüssigkeitszufuhr, wobei man intelligenterweise immer mindestens soviel trinken sollte wie man heraus schwitzt. Das ist hier übrigens gar nicht so schwer, da wir auf dem Ausflug ständig mit Wasserflaschen versorgt werden …

Inzwischen haben wir auch unsere Kanus wieder erreicht und machen uns auf den Weg zu unserer nächsten Station, einem schwimmenden Restaurant auf dem Janauary-See, wobei wir zwischendurch die Motorkanus wieder gegen unser Ausflugsboot wechseln. Und natürlich hat man vorsorglich genügend Zeit eingeplant, so dass jeder auch die Chance hat, den Souvenirladen einer genaueren Prüfung zu unterziehen. 😉

Während unserer Fahrt zum Restaurant erfahren wir viel über den Amazonas (den wir bislang ja immer noch nicht gesehen haben), den Regenwald und das Ökosystem. Unser örtlicher Guide spricht gut deutsch, obwohl er bislang noch nie in Deutschland gewesen ist (und es wohl auch nur mit einem Lottogewinn schaffen würde, dort jemals hinzukommen, wie er uns sagt). Gelernt habe er es, weil er Besuchern etwas von seiner Heimat zeigen will – und deshalb spreche er auch Englisch, Französisch, Spanisch und ein bisschen Russisch. Respekt …

Inzwischen haben wir unser Restaurant für das Mittagessen erreicht, wo wir mit einem Buffet ausgewählter lokaler Fischgerichte, Hähnchen, Reis und verschiedenen Salaten versorgt werden. Sieht eigentlich ganz nett aus … aber irgendwie kann ich mich nicht überwinden, die Regel „Cook it, peel it oder leave it“ zu ignorieren, so dass lediglich der Fisch und der Reis auf meinem Teller landen. Ist hier zwar vermutlich überflüssig, aber sicher ist sicher …

Und während wir so beim Essen sitzen, erleben wir übrigens auch live, was hier mit dem Wort „Regen“ gemeint ist. Bei schönstem Sonnenschein haben wir unsere Ausflugsboote verlassen und bei Sonnenschein werden wir sie auch wieder betreten. Dazwischen liegt jetzt ein etwa zehnminütiger tropischer Regenschauer, für den es bei uns zwei Unwettervorwarnungen, eine Unwetterwarnung und danach unzählige Feuerwehreinsätze gegeben hätte …

Und der kam jetzt so überraschend, dass es knapp geworden wäre, die Regenjacke überhaupt auszupacken, geschweige denn anzuziehen. Wäre aber auch nicht schlimm, da durch die hohen Temperaturen die Kleidung genauso schnell wieder trocken wird wie sie nass wurde. Lediglich die mitgeführte Technik könnte darunter potenziell leiden … 😉

Aber unser Zeitmanagement hat ja genau gepasst – wir sind trocken geblieben, die Luft wurde kurz mal gereinigt – nur kühler ist es nicht geworden. Und so setzen wir unseren Weg fort zum Treffen der Wasser („Encontro das Aguas“), wo der Rio Negro (auf dem wir schon die ganze Zeit unterwegs sind) und der Amazonas (bis zu dieser Einmündung jedoch „Rio Solimões“ genannt) zusammenfließen.

Das hört sich jetzt eher langweilig an, ist aber ziemlich spektakulär – da sich das Wasser erst rund 20-30 km später komplett vermischt haben wird. Bis dahin kann man das Wasser der jeweiligen Flüsse, obwohl es sich jetzt in einem gemeinsamen Bett befindet, klar auseinander halten: der Rio Negro ist relativ klar und schwarz, der Amazonas eher bräunlich-trüb. Dies resultiert aus Temperaturunterschieden, unterschiedlicher Konsistenz und Inhaltsstoffen. Ach ja, und aufgrund der Nährstoffarmut des Rio Negro sind hier auch praktisch keine Malariamücken zu finden …

Doch weiter im Programm … Kautschuk ist das Stichwort. Wir besichtigen das kleine Dorf Terra Nova, in dem uns die Bewohner in die Kautschukgewinnung und –verarbeitung einführen. Ob das jetzt überall noch so händisch erfolgt sei einmal dahingestellt, zum Verständnis ist es aber hilfreich. So wird ein Kautschukbaum regelrecht „angezapft“: man bohrt ein Loch, aus dem der weißliche Saft entlang von eingeritzten Rinnen in der Rinde in ein am Baum befestigtes Gefäß läuft – um von dort weiterverarbeitet zu werden. Unter einer primitiven Holzbedachung erfolgt mit Hilfe eines offenes Feuers eine Art Vulkanisiervorgang, der zum Ergebnis eine Art Gummiball (mit außerordentlichen Hüpfeigenschaften) hat. In der Tat nicht uninteressant …

Und wäre der Samen der Bäume nicht seinerzeit während der Kolonialisierung nach Malaysia gelangt, wäre Brasilien heute noch das einzige Land der Erde mit Kautschukvorkommen.

Der Rückweg zu unserem Schiff (und damit meine ich jetzt die Vita) ist dann eher unspektakulär; etwa eine Stunde sind wir noch auf dem Rio Negro unterwegs und können uns von der Schönheit der Natur überzeugen, bevor wir wieder Manaus, übrigens mit rund zwei Millionen (!) Einwohnern die größte Stadt am Amazonas, erreichen.

Durchgeschwitzt, aber um viele interessante Eindrücke reicher, erreichen wir die Vita. Und da der Ausflug ein Ganztagesausflug war, ist es jetzt auch fast schon Zeit für meinen obligatorischen Gang in die Sauna (und – so nebenbei – eine bessere Erfrischung nach so einem Tag als intensives Schwitzen und kaltes Duschen könnte ich mir auch gar nicht vorstellen). Den Aufguss um 4-nach-4 (der heute den Aufguss um 6-nach-6 ersetzt, da dieser in die Zeit der Seenotrettungsübung fallen würde) erreiche ich zwar nicht mehr, aber zum 5-nach-5-Aufguss passt es genau … das ist Erholung pur.

Rechtzeitig zum Ablegen findet dann um 18.00 Uhr die obligatorische Seenotrettungsübung statt. Und auch hier merkt man, dass das Manöver seit Costa Concordia noch etwas ernster genommen wird (und eine Spaßveranstaltung war das auf AIDA ja sowieso noch nie). Die Passagiere folgen fast ausnahmslos der Kleiderempfehlung (nur ganz selten sieht man Shorts und Flip-Flops), es fehlt keine einzige Kabine, alle behalten ihre Rettungsweste während der Übung an und warten diszipliniert auf das Ende (der Übung). Und so sind wir nach einer guten Viertelstunde auch schon durch (die englische Sicherheitsansage konnte glücklicherweise wohl mangels passender Passagiere entfallen) – das ist aber auch gut so, denn bei den hiesigen Temperaturen wird es so eng aneinander gekuschelt dann doch ziemlich schnell ziemlich warm … 😉

Um 19.00 Uhr mache ich dann das was alle machen – Abendessen. Die meisten wollen wohl um 20.00 Uhr das Auslaufen sehen, einige wenige wollen in die Anytime Bar zum ersten Bingoabend der Reise. Und daher wollen jetzt alle ins Restaurant. Und zumindest im Calypso ist praktisch kein freier Platz mehr zu finden und die Schlangen am Buffet sind dementsprechend recht lang. Da will ich doch mal hoffen, dass sich das in den kommenden Tagen ein wenig entzerrt.

Trotzdem schmeckt das Essen (Thema heute ist hier „Orient“) wieder mal vorzüglich. Die Hackfleischröllchen mit Knobidip sind dabei ein echtes Highlight – zumindest bis ich die gegrillte Ziege probiere .. die toppt heute alles!

Gut gesättigt geht es daher ziemlich pünktlich zum ersten Bingo der Reise – leider wieder in der Anytime Bar, so dass man wieder gezwungen wird, sich als Passivraucher zu betätigen … das würde ich mir in der Tat mal wieder anders wünschen – zum Beispiel in der Nightfly Bar (so wie früher auch).

Aber was tut man nicht alles für den Hauptgewinn (der heute übrigens 155 € betragen wird) … Und auch wenn es nicht so klappt, wie ich mit das vorstelle (da fehlen noch mehr als drei Zahlen am Schluss!) und es nur zu einem „Schnapszahl-Sekt“ reicht, haben Michael, Guido und ich hier einen netten Abend verbracht – zumal ja morgen auch noch ein Tag ist (und erfahrungsgemäß steigt ja der Gewinn proportional mit den Reisetagen an).

Und während sich jetzt viele auf den Weg ins Theater zur Show machen, werde ich mich mal mit den Ereignissen während der Reise schriftstellerisch auseinander setzen – da gibt es hier ja doch einiges zu berichten … Von Jetlag ist glücklicherweise wieder mal keine Spur zu bemerken und trotzdem freue ich mich nach einem langen und ereignisreichen Tag auf mein Bett …

Weiter mit Tag 3: Auf dem Weg nach Santarém