4.00 Uhr – die Technik hat funktioniert, Harald ist wach. Naja, geweckt worden. Von zwei Weckern … Aber es hilft ja nichts, die Sonne geht nun mal morgens auf und eine Sonnenaufgangstour kann man nicht nachmittags machen. Also raus aus den Federn, kurz durchs Bad und die Sportklamotten angezogen. Um 4.30 Uhr treffe ich mich mit Jakob, dem Kapitän und den anderen Mitfahrern auf Deck 3 zur Ausgabe der Rucksäcke, Trinkflaschen und Radhelme bevor es vors Schiff zur Radverteilung geht.

Rad 29 ist für diesen Tag meins; kurz die Sattelhöhe einstellen, die Kurzeinweisung anhören („Die Vorderradbremse NIE allein betätigen!“) und eine schnelle Runde auf der Pier drehen – und schon kanns losgehen. Rund 60 Personen in drei Gruppen machen sich auf den Weg in Richtung Sonnenaufgang.


Und da so etwas von oben besser aussieht als von unten fahren wir – nachdem wir einen kurzen Stopp bei den „Restaurant-Anglern“ auf der Galata-Brücke (die ganze Brücke steht hier morgens voller Angler, die den frischen Fisch für die Restaurants in Istanbul angeln) gemacht haben – in Richtung des Topkapi-Palastes, von wo man einen guten Blick auf die Bosporos-Brücke hat; denn direkt über der asiatischen Seite der Brücke wird sie gleich aufgehen – die Sonne.

Wir warten noch wenige Minuten – und dann beginnt das Schauspiel. Langsam zeigt sich der rote Ball hinter der Bosporus-Brücke und lässt das Goldene Horn unterhalb unseres Hügels rötlich schimmern. Allein für diesen Blick hat sich das frühe Aufstehen schon gelohnt.

Aber es geht ja noch weiter … kreuz und quer geht es jetzt rund 25 km durch die Altstadt von Istanbul, meistens eben, manchmal aber auch ein bisschen bergauf (und dann konsequenterweise auch wieder bergab) – aber selbst für einen Gelegenheitsradler wie mich ist das problemlos zu schaffen … 😉

Neben einigen Fotostopps und einigen Kleinigkeiten, die unser Guide uns präsentiert („Ich hab‘ da mal was vorbereitet …“) ist es dann fast, bald, gleich, sofort soweit – das Frühstück ruft. Für eine Pauschale von 5 € gibt es für jeden türkischen Tee (lecker!), Weißbrot, etwas Schafskäse, Honig, eine Art Gouda (vermutlich ist es aber etwas anderes), eine Scheibe einer rötlich leuchtenden Wurst (rückblickend betrachtet kann man die aber gefahrlos essen), ein hart gekochtes Ei und etwas türkisches Kleingeld für einen evtl. Toilettenbesuch in der angrenzenden Moschee. OK, das Frühstück ist nicht ganz mit dem auf dem Schiff vergleichbar, aber dennoch lecker.

Frisch gestärkt treten wir wieder in die Pedale und während wir auf dem Weg hierhin die Stadt beim Erwachen erleben durften, ist sie jetzt hellwach. Und das merkt man – und zwar im Straßenverkehr. Ich kenne ja nun den italienischen (schlimm), den ägyptischen (schlimmer) und den indischen (am schlimmsten) – aber der in Istanbul ist auch nicht von schlechten Eltern. Hier gilt ausschließlich das Recht des Stärkeren – Fußgänger spielen dabei keine Rolle … höchstens als Opfer. Und auch Radler sind den Auto-, LKW- und Busfahrern eher lästig – und das lassen sie uns auch spüren. Selbst wenn man das ständige Hupen nicht persönlich nimmt, spätestens beim Stopp an der roten Ampel touchiert einen dann ganz gern mal ein Außenspiegel. Aber wir auch immer – wir werden es überleben.

Und trotz der Widrigkeiten erreichen wir – sehr zur Freude unseres Guide – lebend und unverletzt den Gewürzmarkt. Hier haben wir noch eine halbe Stunde Zeit zum Erkunden der unterschiedlichsten Gerüche … einfach faszinierend. Und wie der Zufall so spielt, schauen Jakob und ich uns an einem Stand etwas intensiver um – und werden prompt vom Standinhaber angesprochen. Und kaum weiß er, dass wir aus Österreich bzw. der Nähe von Frankfurt kommen, schaltet er von Englisch auf akzentfreies Deutsch um. Seine Mutter wäre Deutsche und er habe lange in Deutschland gelebt. Ruck-zuck haben wir die ersten Kostproben türkischen Honigs in der Hand, ein Glas leckeren türkischen Tees vor uns und riechen an einem würzigen Grillgewürz. Langer Rede kurzer Sinn – sowohl der türkische Honig als auch das Grillgewürz sind jetzt vakuumverschweißt in meinem Gepäck – und schmecken hoffentlich demnächst den Kollegen in der Bank (Türkischer Honig) bzw. den Kids im anstehenden Zeltlager (Grillgewürz).

Zurück an den Rädern starten wir die letzte Etappe … noch kurz über die Galatabrücke und dann haben wir unser Schiff erreicht – kurz nach 11 Uhr ist die Tour beendet … und sie ist einer der besten Ausflüge gewesen, die ich jemals mit AIDA gemacht habe.

Zurück an Bord genehmigen wir uns erst einmal einen Latte Macchiato an der AIDA Bar bevor wir uns zur Entspannung einen kleinen Aufenthalt in der Kräutersauna gönnen, um anschließend auf dem FKK-Deck ein bisschen in der Sonne zu braten.

Und da das Frühstück in Istanbul nur aus einer überschaubaren Portion bestand und wir das Mittagessen haben ausfallen lassen, sind wir bei Kaffee und Kuchen wieder dabei – bevor es dann „Auf Wiedersehen, Istanbul“ heißt.

Die Ausfahrt aus dem Istanbuler Hafen und die anschließende gut einstündige Fahrt durch den Bosporus werden hierbei durch den Bordlektor kommentiert, so dass wir viele Einzelheiten der Strecke sehen, die sonst an uns vorbeigehen würden. Höhepunkt der Fahrt ist dabei natürlich die Unterquerung der Bosporusbrücke zwischen Europa und Asien.

Beim Abendessen entscheide ich mich heute für die 20-Uhr-Sitzung im Marktrestaurant („Portugal“) bevor wir uns dann im Theater treffen, um den britischen Humor (und nicht nur den) des Gastkünstlers Don Clark zu genießen. Und da nicht alles aus seinem Programm jugendfrei ist, gibt es dann morgen noch eine Fortsetzung um 23.00 Uhr in der Nightfly Bar.

Eines der Highlights der Reise, Istanbul, haben wir nun hinter uns gelassen – die nächsten liegen mit den Anrainerstaaten am Schwarzen Meer (Russland, Ukraine, Bulgarien) jedoch bereits vor uns … morgen haben wir noch einen Seetag – und dann sind wir auch schon in Sochi, dem einzigen Halt in Russland auf dieser Reise.

Für heute gehe ich jetzt jedenfalls erst einmal ins Bett – zumal uns heute Nacht wieder eine Stunde „weggenommen“ wird; da wir morgen aber einen Seetag haben, bleibt der Wecker heute Nacht einfach einmal umgestellt …

Weiter mit Tag 6: Seetag – auf dem Weg nach Russland