Der heutige erste Weihnachtsfeiertag fängt für mich erst einmal sehr geruhsam an. Während so gut wie alle Passagiere schon auf dem Weg zum Christo oder Zuckerhut sind, beginne ich den Tag mit einem geruhsamen Frühstück im Rossini. Ich habe einen Jeepausflug in Rio’s Stadtregenwald Tijuca gebucht, der allerdings erst heute Nachmittag startet – von daher bleibt genügend Zeit … und die braucht es auch, denn im Moment ist es draußen zwar warm, aber ziemlich bewölkt. Aber das wird ja vielleicht noch besser …


Und so kommt es, dass ich bei einem Latte Macchiato im Rossini sitze, die noch nicht gelesenen Artikel der Weihnachtsausgabe der WELT Kompakt lese – und unfreiwillig Zeuge eines Phänomens werde, dass es wohl nur bei Deutschen so gibt. Zumindest ist mir das woanders so noch nicht aufgefallen. Titel: Der „Deutsche und die Fremdsprache“. Was macht ein (meist älterer) Deutscher, wenn er von einem Ausländer nicht verstanden wird? Versucht er es auf Englisch oder in einer anderen Fremdsprache oder unterstützt er seine Worte mit umfangreicher Gestik? Nein, er spricht lauter: „Ich hätte das Omelette gern mit Schinken.“ – „Schinke?“ – „mit SCHINKEN!“

Ich kann nur hoffen, dass das nur noch ein hoffnungsloser Einzelfall ist, der sich hier so präsentiert (davon abgesehen, dass der Kellner sicherlich verstanden hätte, was er will, wenn er denn mal nicht so genuschelt hätte in seinem Dialekt).

Ach ja, verstanden hat er ihn natürlich immer noch nicht – dafür aber seine Kollegin am anderen Ende des Restaurants …

Ich entfliehe dem Geschehen und verziehe mich mit meinem Buch auf Deck – im Wolkenschatten ist es heute gut auszuhalten (wobei man heute Abend sehen wird, dass UV-Strahlen vor Wolken nur bedingt Halt machen). Und siehe da – so kurz vor Mittag reißt dann die Wolkendecke ein bisschen weiter auf … das Wetter stellt sich also langsam auf meinen Ausflug ein.

Aufgrund des wieder mal (zu) üppigen Frühstücks nehme ich zum Mittagessen nur einen Salatteller und richte mich dann für die Fahrt durch den Tijuca Nationalpark. Wesentliche Komponenten sind hier wieder einmal die Expositionsprophylaxe bezüglich der Insektenstiche (also lange Hose, Hemd und Insektenschutz für Kopf, Hals und Arme) und feste Schuhe.

Und dann geht es auch schon los. Um 13.45 Uhr treffen wir uns in der AIDA Bar zu „RIO 06: Untypisch – Rio per Allradfahrzeug“. Wir, das sind neun Leute – gerade genug für einen Jeep. Und zwar alle nicht schwanger und ohne Rückenprobleme.

Vor dem Hafenterminal steht er dann auch schon, unser Jeep. Hinten offen, nicht überdacht und zwei Bänke quer zur Fahrtrichtung für jeweils fünf Personen – passt genau für uns und Sergio, unseren Reiseleiter. Und dann geht’s auch schon los: wir fahren etwa eine halbe Stunde durch Rio, in der Sergio viel zu „seiner“ Stadt erzählt und vor allem unsere Fragen beantwortet. Das unterscheidet so eine Tour dann doch von einer Panoramafahrt mit einem Bus – hier bist Du halt ständig im Gespräch miteinander und erfährst viel mehr Details zum Leben in Rio.

An den Berghängen sehen wir die Favelas, die Armenviertel von Rio. Millionen von Menschen leben hier in Hütten, die in den wenigsten Fällen aus Steinen bestehen sondern vielfach aus Pappe und anderen Abfällen zusammengesetzt wurden; die Straßen in den Favelas sind eigentlich eher Trampelpfade, ein Abwassersystem ist nur insoweit vorhanden, als das Wasser naturgegeben den Berg abwärts fließt und dann ja unweigerlich irgendwann im Meer landet. Und trotzdem haben viele hier Arbeit, arbeiten als Kellner, Reinigungskraft oder Straßenhändler – aber das Einkommen reicht trotzdem nicht für ein „normales“ Leben … Dass das dann ein idealer Nährboden für Kriminalität ist, erschließt sich von selbst. Und daher werden, trotz den vielen Maßnahmen der Stadt, dem Leben und Treiben in den Favelas bis zur WM 2014 Herr zu werden, viele Favelas nach wie vor von mafia-ähnlichen Banden kontrolliert.

Inzwischen sind wir in den Stadtregenwald abgebogen und fahren auf einer schmalen Straße den Berg hinauf zum Aussichtspunkt „Vista Chinesa“ – einen der ganz wenigen Punkte, von dem aus man sowohl Christo als auch den Zuckerhut gleichzeitig sehen kann. Und der Blick ist wirklich sehr beeindruckend – und auch die Bewölkung hat an dieser Stelle ein Einsehen und lässt einen einigermaßen brauchbaren Blick auf die beiden Sehenswürdigkeiten der Stadt zu.

Das Wetter ist übrigens nach wie vor mehr bewölkt als sonnig – aber darüber sind wir auch sehr froh. Die wenigen sonnigen Abschnitte geben uns einen Eindruck, wie es ist, in einem offenen Jeep gegrillt zu werden – vier Stunden Sonne ohne Schatten wären wohl kaum auszuhalten gewesen. Besser hätte das Wetter für uns also gar nicht sein können – zumal es weder regnet noch kühl ist (das Thermometer zeigt immerhin 28°C).

Wir setzen unseren Weg fort und kommen vorbei am „Mesa do Imperador“, am Besucherzentrum „Centro de Visitantes“ und machen einen weiteren Stopp an den Taunay Wasserfällen „Cascatinha de Taunay“.

Von hier aus geht es dann etwa eine Stunde zu Fuß durch den Nationalpark, in dem wir Flora und Fauna genießen können. Und auch wenn wir keine lebenden Tiere sehen – anhand der Geräusche um uns herum ist zu vermuten, dass uns diese durchaus wahrnehmen. Aber glücklicherweise als friedliche Besucher und nicht als Futter …

Allerdings bekommen wir im Besucherzentrum durchaus einen Eindruck davon, was uns hier denn so erwarten würde (bzw. nachts ggf. auch erwartet): Wölfe, Schlangen, Skorpione und Spinnen in allen Variationen und Größen (und zumindest das eine oder andere Spinnennetz, das eher so die Größe und Konsistenz eines Fischernetzes hat, unterstreicht dies eindrucksvoll) sind hier ebenso heimisch wie Papageien (u.a. auch der blaue aus dem Animationsfilm „Rio“), Schmetterlinge und kleine Äffchen.

Und während ich mit der zweiten Gruppe von Tieren ja durchaus hätte leben können, kann ich auf die erste problemlos verzichten …

Was übrigens nicht in der Ausflugsbeschreibung steht: der Spaziergang geht nicht nur ebenerdig auf asphaltierten Wegen entlang. Es ist eher so eine Wanderung auf Waldwegen, aber durchaus auch mal ein bisschen über Stock und Stein. Feste Schuhe sind also das Minimum und jegliche Art von Gehhilfen eher störend; aber vermutlich hat sich das schon aus der Formulierung „keine Rückenprobleme“ erschlossen – zumindest ist das auf unserer heutigen Tour kein Problem gewesen.

Inzwischen sitzen wir wieder im Jeep und sind auf dem Rückweg zum Schiff – eine knappe Stunde Fahrzeit durch den Tijuca und vorbei an den Stränden Rios sind wir pünktlich um 18.00 Uhr zurück an Bord.

Und hat es sich gelohnt? Ja, in jedem Fall. Man sieht eine andere Seite von Rio und erhält viele Informationen abseits der Standardstadtführererklärungen. Vorher (oder danach) sollte man aber in jedem Fall Zeit für Christo und Zuckerhut einplanen – das sind natürlich DIE Sehenswürdigkeiten, die man gesehen und besucht haben muss. Als Ergänzung hierzu (und durchaus als Alternative zu einem Strandbesuch an der Copacabana) ist der Ausflug aber hervorragend geeignet.

Die Zeit bis zum Abendessen im Marktrestaurant verbringe ich dann noch mit zwei Saunagängen und einer kalten Dusche, so dass ich frisch gestärkt pünktlich um kurz vor Acht in der Lambada Bar zur ersten Runde Aktiv-Bingo einlaufe.

Hier treffe ich dann auch auf Guido und Michael, die zwischenzeitlich weitere Passagiere von den Vorzügen des Bingo überzeugt haben, so dass wir jetzt zu fünft gespannt der Dinge harren, die da kommen mögen. Ich habe vorsorglich schon mal eine Flasche Sekt bestellt, so dass es auch gleich losgehen kann – wer weiß, ob und wann wir welchen gewinnen.

Dann erscheint auch schon Tobi vom Club Team – und los geht’s. Leider wieder mit kleinen Regelanpassungen aus Hamburg – nachdem ja vor Jahren schon das „Bum-Klack-Klack“ ersatzlos entfallen ist und kürzlich wohl auch die meisten Schätz- und Wissensfragen bei den Schnapszahlen durch Würfel- und Kartenspiele ersetzt wurden, ist jetzt die nette Regelung, gegen Ende mit nur noch drei, zwei oder einer fehlenden Zahl aufzustehen und sich an einer bestimmten Stelle im Raum aufzustellen, entfallen. Man darf das zwar noch, muss das aber nicht – mit dem Ergebnis, dass viele der Stammbingospieler das dann machen, sich bis zu einer fehlenden Zahl vorgearbeitet haben und irgendwo aus dem Off jemand Bingo ruft. Ärgerlich!

Bei dem Stammspielern treffen diese Änderungen übrigens auf keinerlei Verständnis – und nach wie vor sind sicherlich mehr als 80% (noch) Stammspieler. Wenn das von der Entwicklung aber so weitergeht, ist der Weg zum (bislang auf und von AIDA verpönten) „Rumsitz-Bingo“ der MS Deutschland nicht mehr weit! Inzwischen stellt sich ja wirklich schon die Frage, wo genau denn jetzt der aktive Teil beim Bingo ist …

Aber genug gejammert – im Moment können wir es ja eh nicht ändern … von daher gebe ich mich mit zwei fehlenden Zahlen zufrieden und schaue mal, was die Reise noch so bringt.

Meinen geplanten Abendausklang in der Calypso-Bar muss ich wegen leichten Regens auf morgen verschieben, so dass ich im Theater die Welcome Show (mit Indoor-Laser-Show) „Leinen Los“ besuche, um dann anschließend vom leichten Seegang in den Schlaf gewiegt zu werden.